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Förderpreis für die Reichsten

Ein Drittel aller Beihilfen in der EU fließt in Gebiete, die nicht gerade zu den ärmsten zählen. Das Subventionsverbot wird unterlaufen  ■ Aus Brüssel Alois Berger

Die Menschen im nordschwedischen Kiruna, knapp unterm Polarkreis, sind weder besonders arm, noch sind besonders viele von ihnen arbeitslos. Trotzdem wird die Gegend um Kiruna von der Europäischen Union jedes Jahr mit ein paar hundert Millionen Mark gefördert. Weil Schweden sonst überhaupt kein Geld aus der EU- Kasse bekommen würde, hat man vor zwei Jahren in Brüssel die Förderkategorie „besonders dünn besiedelte Gebiete“ erfunden.

Knapp 50 Milliarden Mark gibt die EU jährlich an Strukturhilfe für wirtschaftlich schwache Gebiete aus. Der Großteil davon fließt tatsächlich in die ärmeren Regionen, vor allem nach Griechenland, Spanien, Portugal und Irland, aber auch in den Osten Deutschlands. Das Geld soll helfen, die wirtschaftlichen Unterschiede langsam wettzumachen.

Doch nicht nur in Schweden, auch in anderen Ländern lassen sich die Regierungen einiges einfallen, um vergleichsweise wohlhabende Regionen von der EU als förderungswürdige Regionen deklarieren zu lassen.

Dabei geht es oft gar nicht um EU-Mittel, die vorwiegend für Ausbildungsprogramme und den Ausbau der Infrastruktur verwendet werden müssen, sondern vielmehr um die Erlaubnis, in diesen Regionen selbst Subventionen zahlen zu dürfen. Industriebetriebe, die staatliches Geld bekommen, können ihre Produkte billiger anbieten als in anderen Regionen. Sie schaffen Arbeitsplätze, die meist woanders verloren gehen. Staatliche Beihilfen sind deshalb in der EU grundsätzlich verboten, Ausnahmen gibt es nur für wirtschaftlich schwache Regionen. Der Wettbewerb um regionale Subventionsgenehmigungen wird von Jahr zu Jahr härter.

Die Bundesregierung ist dabei kürzlich wieder durch besonderen Ideenreichtum aufgefallen. Die EU erlaubt Bonn, neben der Sonderförderung für Ostdeutschland auch einige Gegenden in Westdeutschland mit Beihilfen zu unterstützen, und zwar für ein Gebiet, auf dem insgesamt 20,8 Prozent der Bevölkerung lebt. Auf der neuen Subventionslandkarte für 1997 tauchen nun plötzlich industriereiche Städte wie Wolfsburg, Mönchengladbach oder Kaiserslautern auf. Ländliche Gebiete wie die Lüneburger Heide, wo ohnehin niemand investieren will, sind dafür von der Liste verschwunden.

Mit Arm und Reich hat das nicht viel zu tun. In Wolfsburg verdienen die Menschen im Schnitt mehr als zweimal soviel wie in der übrigen Republik. Aber in Wolfsburg hat VW sein Stammwerk, und das steht nicht nur in Konkurrenz zu anderen Autofirmen, sondern auch zu den VW-Werken in Sachsen, Brüssel oder Barcelona. Für seine sächsischen Niederlassungen hat VW bereits mehr als eine halbe Milliarde Mark an Zuschüssen erhalten. Wenn künftig Investitionen in Wolfsburg mit bis zu 28 Prozent aus Steuermitteln bezuschußt werden dürfen, werden sich Brüssel und Barcelona etwas einfallen lassen müssen, um ihre Arbeitsplätze zu halten.

Um Wolfsburg als förderungswürdig einzustufen, haben die Beamten in Hannover und Bonn Feinarbeit geleistet. Sie haben das Gebiet so ausgeschnitten, daß eine Arbeitslosigkeit von über zwanzig Prozent herauskam. Solche Fertigkeiten werden auch in anderen Hauptstädten beherrscht. Die Wettbewerbsabteilung der EU- Kommission in Brüssel versucht in täglichem Kleinkrieg, wenigstens die Auswüchse zu begrenzen. „Einige Mitgliedstaaten übten jedoch Druck aus, um den Umfang der Förderregionen auszudehnen“, klagt EU-Kommissarin Monika Wulf-Mathies, die für die Regionalförderung zuständig ist.

Ein Drittel aller Beihilfen in der EU fließt in Gebiete, die nicht gerade zu den allerärmsten zählen. Die Wettbewerbsnachteile der schwächeren Regionen werden noch dadurch verstärkt, daß sie oft gar nicht das Geld haben, um gegenzusteuern. Sie dürften zwar Subventionen zahlen, um Investoren anzulocken, können aber nicht. „Dies gilt besonders für Spanien und Irland“, rechnet Wulf- Mathies vor, „hier werden teilweise aufgrund mangelnder Haushaltsressourcen nur Fördermittel in Höhe von 40 Prozent des erlaubten Niveaus vergeben.“

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