: Bundesregierung wird beim Euro weich
Finanzminister Waigel macht kleine Zugeständnisse beim Stabilitätspakt. Regierungen, die in Zukunft ihr Budget derbe überziehen, sollen nicht in jedem Fall Strafe zahlen müssen ■ Aus Brüssel Alois Berger
Im Streit um den Stabilitätspakt für die europäische Währungsunion hat Bundesfinanzminister Theo Waigel ein bißchen nachgegeben. Beim Treffen der 15 EU-Finanzminister in der Nacht zum Dienstag räumte er ein, daß es nicht in jedem Fall Sanktionen gegen Stabilitätssünder geben wird.
Die Bundesregierung drängt seit Monaten darauf, daß sich die Teilnehmer an der Währungsunion verpflichten müssen, auch in Zukunft das Haushaltsdefizit auf drei Prozent zu beschränken. Sie sollen unterschreiben, daß sie bei einem Verstoß 0,2 bis 0,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes als Strafe zahlen. Für die Bundesrepublik beispielsweise würde das einen Betrag von 5,6 bis 14 Milliarden Mark ausmachen.
Vor allem Frankreich, aber auch einige andere Länder, sträuben sich gegen einen solchen Zusatzvertrag zum Euro. Denn im Kern würde das bedeuten, die derzeitige Sparpolitik auf alle Ewigkeit festzuschreiben. Wenn es um den Euro geht, nutzt die Bundesregierung derzeit ihre starke Position gnadenlos aus und diktiert die Bedingungen. Bisher hat sie alles bekommen, was sie wollte.
Doch diesmal fordern die anderen Regierungen zumindest mehr Flexibilität. Einen Automatismus bei der Strafverhängung, wie er von Bonn gewünscht wird, lehnen sie ab. Sie wollen vor allem erreichen, daß die Regierungen im Fall eines Konjunktureinbruches auch weiterhin die Möglichkeit haben, mit einer Erhöhung der Staatsausgaben gegenzusteuern.
Finanzminister Theo Waigel hat sich festgebissen. Er verlangt konkrete Zahlen, ab wann eine Rezession schwer genug ist, um ein höheres Defizit zu rechtfertigen. Anfangs wollte er nur einen Konjunkturrückgang von zwei Prozent gelten lassen, inzwischen reichen ihm auch 1,5 Prozent. Außerdem ließ er durchblicken, daß er sich bei einem Minus zwischen 0,5 und 1,5 Prozent eine Fall-zu-Fall-Entscheidung vorstellen könne. Das hatte Frankreich gefordert.
Der Streit belastet das deutsch- französische Verhältnis. Die Regierung in Paris befürchtet, daß in ihrem Land die Opposition gegen den Euro weiter wachsen werde, wenn sich Frankreich bei seiner Wirtschaftspolitik noch weiter den rigiden Vorstellungen der Bundesbank unterordnet. Manche Finanzminister halten die ganze Diskussion für künstlich, da eine automatische Strafandrohung dem Maastrichter Vertrag widerspricht. Schon deshalb werde es immer eine Einzelfallprüfung geben müssen. Und der britische Premier John Mayor ließ über die Financial Times streuen, daß sein Land dem Euro sowieso nicht beitreten werde, wenn die Konservativen wiedergewählt würden.
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