: Mein Freund, der Mörder
■ Ein Film porträtiert Frauen, die Gewalttäter lieben (3sat, 22.25 Uhr)
Was geht in einer Frau vor, die plötzlich erfährt, daß ihr Freund während ihrer langjährigen Beziehung zwölf Frauen vergewaltigt hat? Warum hält sie die ganzen Jahre zu ihm, während er seine Haftstrafe absitzt? In ihrem Film „Stundenglück“ stellt Stella Tinbergen drei Frauen vor, die Beziehungen zu inhaftierten Gewalttätern haben.
„Ich bringe die Tat nicht in Beziehung zu mir, denn es hat nichts mit mir zu tun“, sagt die 34jährige Sozialarbeiterin Ruth über die Vergewaltigungen, die ihr Freund begangen hat. An die eigene mögliche Gefährdung denkt sie nicht, ihre „schlimmsten Ängste“ drehen sich darum, wie die Opfer mit der Vergewaltigung fertig werden. Warum sie nicht Schluß gemacht hat? „Das Gefühl ,wir gegen den Rest der Welt‘, das stärkt einen“, sagt sie. Und doch ist ihr Verhalten mehr als eine Trotzreaktion gegen das Unverständnis von Freunden und Familie. Ob sie bei einem Rückfall noch einmal zu ihm halten würde? „Ich hoffe nicht“, sagt Ruth.
Der Film verzichtet auf eine Wertung, zweifelt nicht an den Entscheidungen und macht die inneren Konflikte deutlich, ohne sie bloßzustellen. Offen sprechen die drei Frauen von ihren Zweifeln und Ängsten, aber nur eine, Veronika, benennt deutlich, was bei den anderen nur durchscheint: Sie will ihrem Freund helfen, weil der Rückfall nach der Haftentlassung sonst vorprogrammiert sei.
Veronika hat Walter durch eine Brieffreundschaft kennengelernt, nun wollen beide heiraten. Daß er wegen Mordes noch zehn Jahre absitzen muß, schreckt sie nicht ab. „Das war der alte Walter“, sagt sie. Ihm selbst ist die Tat – mit vier Messerstichen und acht Hammerschlägen brachte er seine damalige Freundin um – bis heute „unbegreiflich“. Dabei wirkt es durchaus ehrlich, wenn sich der dicke, glatzköpfige Mann mit seiner Tat auseinandersetzt. Doch kann man einem Mann über den Weg trauen, der sich selbst ein Rätsel ist? Auch wenn er noch so sehr beteuert, Veronika niemals ein Haar krümmen zu können.
Aus der Sicht der Männer ist die Sache klar: Die Frauen kommen als Retterinnen, sind ihre Lebensperspektive schlechthin und bieten noch dazu therapeutische Unterstützung: „Mit der Veronika kann ich die Tat super aufarbeiten“, sagt Walter.
Der Film löst bei aller Sachlichkeit unausweichlich Emotionen aus. Unwillkürlich macht man sich Gedanken über die körperliche Unversehrheit der Frauen. „Tut es nicht!“ möchte man ihnen zurufen und weiß doch, daß es zwecklos ist. Dorothee Winden
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