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Vor Beamten ausgebüxt

■ Hessen will vier Kinder nach Äthiopien zu ihren Vätern abschieben

Frankfurt/Main (taz) – Der Petitionsausschuß des hessischen Landtages wird sich heute mit dem Schicksal von vier äthiopischen Kindern beschäftigen, die nach einer Entscheidung von Innenminister Gerhard Bökel (SPD) vor zwei Wochen in ihr Heimatland abgeschoben werden sollten. Doch am Frankfurter Flughafen waren die Kinder zwischen zwölf und 16 Jahren den Beamten einfach ausgebüxt und bei befreundeten Familien untergetaucht. Die Polizei fahndet nach ihnen.

Die Brüder Kelifa und die Brüder Abduselam kamen 1994 als unbegleitete Flüchtlinge nach Deutschland. Der damalige Amtsvormund der vier Jungen, das Jugendamt in Frankfurt, reichte ein Jahr später Asylanträge ein, die nach einer Anhörung im Mai 1996 abgelehnt wurden. Da lebten die Kinder bereits knapp zwei Jahre in einem Heim der Caritas im Landkreis Darmstadt-Dieburg und gingen dort auch zur Schule. Dennoch sollten sie nach der Ablehnung ihrer Asylanträge und im Rahmen der „Familienzusammenführung“ (Innenministerium) am 28. November nach Äthiopien ausgeflogen werden. Die Väter, so die Recherchen der Ausländerbehörde und des Auswärtigen Amtes (AA), seien bereit gewesen, die beiden Brüderpaare aufzunehmen. Diese Information habe Innenminister Bökel „persönlich überprüft“, so das Ministerbüro. Bökel sei bestätigt worden, daß die Behörden in Kontakt mit den Vätern stehen würden und der Botschaftsattaché die Kinder am Flughafen der äthiopischen Hauptstadt in Empfang nehmen würde.

Doch das genügt den bisherigen Betreuern der vier Kinder nicht. Die Jungen, so Betreuer Andreas Zimmermann, hätten zumindest die Chance haben müssen, mit ihren Vätern zu telefonieren. Versuche der Betreuer, mit den Vätern Kontakt aufzunehmen, waren gescheitert. Die Familienverhältnisse seien nach wie vor zerrüttet. So lebt die Mutter eines Brüderpaares in den Vereinigten Staaten und möchte ihre Kinder gleichfalls zu sich holen. Der Petitionsausschuß soll nun dafür sorgen, daß die vier Kinder so lange im Heim bleiben dürfen, bis die Familienverhältnisse geklärt sind. Klaus-Peter Klingelschmitt

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