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Persilschein für den Staudamm

Bonn bringt mit seiner China-Politik die USA in Zugzwang. Auch dort fordert die Industrie: Finanziert uns die Aufträge am Jangtse-Staudamm  ■ Aus Bonn Bettina Gaus

Schock“. Mit diesem knappen Wort umreißt US-Umweltschützer Bruce Rich die Reaktion in Washington auf die Entscheidung der Bundesregierung, deutschen Firmen im Zusammenhang mit dem chinesischen Drei-Schluchten-Staudamm Exportbürgschaften zu garantieren. Trotz lockender Aufträge hatte sich vor Bonn kein Industriestaat finanziell an dem Mammut- Projekt beteiligen wollen. Der größte Staudamm der Welt, für den bis zum Jahre 2009 ein Gebiet von der doppelten Größe des Saarlandes überflutet werden soll, ist in China selbst und international heftig umstritten. 1,8 Millionen Menschen müssen für den Stausee umgesiedelt werden.

Der Damm am Jangtse-Fluß soll jährlich 84 Milliarden Kilowattstunden Energie liefern, Hochwasser auffangen und damit Überschwemmungskatastrophen verhindern und durch Flutung von Stromschnellen den Schiffsverkehr in der Region verfünffachen. Kritiker des Projekts fürchten dagegen Menschenrechtsverletzungen, Umweltschäden und mögliche schwere Unfälle. Sie bezweifeln zudem, daß das Projekt finanziell auf sicheren Beinen steht.

Die Bonner Garantie von Hermes-Bürgschaften hat nun nach Ansicht von Projektgegnern Regierungen anderer Industrieländer – vor allem die der USA – in Zugzwang gebracht. „Die Folgen der Entscheidung sind sehr ernst“, erklärte Bruce Rich letzte Woche in Bonn. Die amerikanische Export- Import-Bank, die sich im Mai vorläufig gegen eine Beteiligung an dem Projekt ausgesprochen hatte, habe sich darum bemüht, einige umweltpolitische Minimalstandards zu entwickeln. „Jetzt wird es eine Initiative im Kongreß geben, diese Standards der Bank zu kippen, um mit Deutschland konkurrieren zu können.“

Die US-Regierung hatte bislang trotz erheblichen Drucks der Industrie dem Projekt ablehnend gegenübergestanden. In einem Memorandum des Nationalen Sicherheitsrates an den Präsidenten der Export-Import-Bank vom September 1995 heißt es: „Wir denken, es wäre nicht klug, wenn sich die US-Regierung auf ein Projekt einlassen würde, gegen das Umwelt- und Menschenrechtsbedenken in der Größenordnung von Drei-Schluchten bestehen.“

Wolfgang Schmitt, Bundestagsabgeordneter der Grünen, meint: „Es ist ja so, daß die Industrieländer sich in Peking gegenseitig auf die Füße treten. Es gibt einen Dumping-Wettbewerb, wenn es darum geht, lukrative Aufträge zu bekommen. Die chinesische Regierung spielt die Industriestaaten gegeneinander aus. Die Chinesen bauen das Ding mit oder ohne Hermes. Aber es hätte eine Chance bestanden, daß zum erstenmal die führenden Industrieländer gemeinsam der Volksrepublik China gegenübertreten.“

Das sieht Graf Michael von Korff-Schmiesing, Leiter des für die Entscheidung zuständigen interministeriellen Referats im federführenden Wirtschaftsministerium, ganz anders: „Die Chance, daß alle abseits stehen, die hat es nicht gegeben, und die gibt es nicht. Die Kritiker sind falsch informiert. Mit weiteren Zusagen wäre in naher Zukunft zu rechnen gewesen.“

Nun hat Deutschland offenbar die Nase vorn. Mit staatlichen Hermes-Bürgschaften sichern private Firmen bei Exporten ihr Risiko ab. Es wird auf den Bundeshaushalt, also auf die Steuerzahler, abgewälzt. Bei Zahlungsunfähigkeit wird aus einer privaten Wirtschaftsbeziehung ein Schuldenverhältnis zwischen Regierungen. Mittlerweile liegen der Bundesregierung vier Firmenanträge auf Hermes-Bürgschaften vor, denen allen eine Grundsatzzusage gegeben wurde.

Die Geschäfte, um die es geht, befinden sich noch im Verhandlungsstadium. Aber der Prozeß ist ins Rollen gekommen. Die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) in Frankfurt wird voraussichtlich Kredite auf kommerzieller Basis im Zusammenhang mit dem Projekt vergeben: „Wir haben das noch nicht endgültig zugesagt“, erklärt Günther Bräunig von der KfW. Aber die Grundsatzentscheidung sei positiv. „Im Moment arbeiten wir daran, ein offizielles Angebot zu erarbeiten.“ Die endgültige Größenordnung steht noch nicht fest. „Es wird sich um einen dreistelligen Millionenbetrag handeln.“

In Europa, den USA und Kanada werden heutzutage nach Auskunft des nordirischen Staudammexperten Patrick McCully so gut wie keine großen Dämme mehr gebaut. Deshalb seien Firmen besonders an allen derartigen Aufträgen interessiert. „Drei-Schluchten ist ein Denkmal, mit dem China seine Macht zur Schau stellen will“, erklärt McCully. „Aber Dämme können brechen und Menschen töten.“ 1975 hätten Dammbrüche in Zentralchina zwischen 80.000 und 230.000 Todesopfer gefordert. Die chinesische Regierung habe lange versucht, diese Informationen unter der Decke zu halten.

„Die Chinesen sind in der Lage, das Projekt selbst durchzuführen. Sie bauen also diesen Staudamm, ob mit unserer Hilfe oder ohne sie“, meint auch Graf von Korff- Schmiesing. Die Verwendung ausländischer Spitzentechnologie beim Bau des Staudamms hat aber aus seiner Sicht zwei Vorteile: „Bei uns sichert es Arbeitsplätze. In China sorgen diese ausländischen Produkte dafür, daß das Projekt sicherer und leistungsfähiger ist.“

Was sagt er zu der Befürchtung, daß es bei der geplanten Massenumsiedlung zu Menschenrechtsverletzungen kommen kann? „Wenn wir versuchen würden, die Welt in Menschenrechte nach gut und böse aufzuteilen, dann müßten wir mit Hermes-Bürgschaften aufhören. China hat eine ganz andere Kultur. Man muß auch über Menschenrechte anders debattieren als wir das tun. In China leben 1,3 Milliarden Menschen. Da werden täglich Menschen umgesiedelt und meist unter sehr viel ungünstigeren Bedingungen, als das in Drei- Schluchten der Fall ist. Leute ziehen derzeit dorthin, um in den Genuß der Umsiedlungshilfe zu gelangen.“ Insgesamt hat die chinesische Regierung Entschädigungszahlungen in Höhe von 6,9 Milliarden Mark versprochen.

Zahlen allerdings sorgen im Zusammenhang mit dem Staudamm mehr für Verwirrung als für Klarheit. Auf „knapp 30 Milliarden Dollar“ schätzt Graf von Korff- Schmiesing die Gesamtkosten des Projekts. Die deutsche Umweltorganisation WEED zitiert dagegen den Chef der „Three Gorges Project Construction Commission“, der Anfang 1996 die Kosten auf 75 Milliarden geschätzt habe.

Je höher die Kosten sind, desto höher ist auch das damit verbundene finanzielle Risiko. „Die Entscheidung, Hermes-Bürgschaften für Drei-Schluchten zu vergeben, ist hinter geschlossenen Türen getroffen worden“, kritisiert Barbara Unmüßig von WEED. Sie fordert „endlich mehr Transparenz“. „Im Rahmen der OECD müssen sich die wichtigsten Industrieländer auf gemeinsame Umweltstandards im Zusammenhang mit Exportkrediten verständigen“, sagt Wolfgang Schmitt – eine Forderung, die auch von der US-Regierung und zahlreichen Umweltorganisationen erhoben wird.

„Wir sind keineswegs abgeneigt, daß man sich in der OECD auf so etwas verständigt“, erklärt dazu Graf von Korff-Schmiesing. Es gebe aber Länder, in denen die Vergabe von Exportbürgschaften gar nicht an ökologische Kriterien geknüpft werden dürfe. „Deshalb wird der US-Vorstoß nicht von Erfolg gekrönt sein.“

Auf den Bau des Drei-Schluchten-Staudamms wird dieses politische Tauziehen ohnehin keinen Einfluß mehr haben. „Der Zug ist abgefahren, und die Deutschen haben das Signal auf grün gestellt“, klagt Wolfgang Schmitt.

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