: Ihre weiche Stimme!
■ „Gefühlsecht“: Wie die Müllers sich durchs Radio Bremen fanden
Bei Herrn und Frau Kaesler war das vor 30 Jahren so: Er Maschinenbauer, Werkstatt in irgendeinem Hannoveraner Hinterhof, viel draußen. Sie im Vorderhaus, vierter Stock, viel am Fenster. Das führte, erinnert sich Herr Kaesler, zu vermehrten Blickkontakten. Die Folge: Astrid.
Bei Astrid Kaesler und Michael Müller lief das vor einem Jahr und vier Tagen etwas anders: Sie, Leiterin eines Pflegebüros, saß bei Radio Bremen 4 im Studio in der Sendung „Gefühlsecht“, beschrieb der Hörerschaft ihr Äußeres und ihre Hobbys und wartete. Er, Sachbearbeiter bei Mercedes, saß zu Hause am Radio und fand ihre Stimme „weich, total offen, ansprechend“. Er rief beim Radio an und vereinbarte ein „Blind Date“ mit Astrid. Gestern haben sie im Standesamt Bremen-Mitte geheiratet. Die erste Gefühlsecht-Hochzeit! Trauzeugen waren die stolzen „Gefühlsecht“-Macher Herr Hammelmann und Herr Rudolph, bekannt aus Funk und Fernsehn.
Ja ja, so ändern sich die Zeiten. Nein, nein, Herr Kaesler findet diese moderne Form der Partnerwahl „völlig normal“. Er hat ein weinrotes Jackett angezogen und wird nur ausgestochen von Herrn Hammelmann, der ein knallrotes Jackett trägt und ein schwarzes Hemd mit Himbeeren drauf. Das Brautpaar, das in wenigen Minuten Familie Müller heißen wird, worauf eine Verwandte einwenden wird: „Von jetzt an ist jede Mark nur noch 50 Pfennig wert“ - also das Brautpaar trägt sehr gedecktes Anthrazit, sie dazu rote Bluse, er weiße Hose und ein Brautsträußchen. Sie erinnert sich:
Am selben Abend nach der Sendung sind wir spazieren gegangen, am Weserwehr. Es war sehr kalt, minus 10 bis minus 15 Grad, danach sind wir zu ihm, haben heißen Tee getrunken und die ganze Nacht durchgemacht. Um 6 mußte er zur Arbeit. Am Abend sind wir zu mir. Liebe auf den ersten Blick, das gibt es noch. Nikolaus haben wir uns das erste Mal geküßt. Neulich haben wir uns ein Haus gekauft.
Wenn das Radio Ehen stiftet, geht gewiß nichts schief. Die Herren Trauzeugen jedenfalls sind sich ihrer Pflicht bewußt und gelobten noch vor dem Ringtausch: „daß wir sie das ganze Leben lang begleiten, in guten wie in schlechten Zeiten“ (Hammelmann); bzw. „daß sie uns Tag und Nacht anrufen können“ (Rudoph). BuS
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