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Bund übergeht Ost-Zwangsarbeiter

■ Vor dem Bonner Landgericht wurden ein Verfahren von 21 jüdischen Zwangsarbeiterinnen wiederaufgenommen. Ihre Forderung nach einer Entschädigung lehnt die Bundesregierung weiterhin ab

Berlin (taz) – Das Bonner Landgericht will am 31. Januar 1997 über die Entschädigung von jüdischen Zwangsarbeiterinnen entscheiden. In dem Musterprozeß verlangen 21 Frauen – Jüdinnen aus Polen, Ungarn und eine aus Deutschland – Entschädigung für die Sklavenarbeit, die sie während des Zweiten Weltkriegs leisten mußten.

Sie alle waren zunächst nach Auschwitz verschleppt worden und mußten dort zwischen September 1943 und Januar 1945 auf Anordnung der SS in der Firma Weichsel-Metall-Union Granaten und Munition herstellen. Das Unternehmen zahlte zwar der SS für die billigen Arbeitskräfte ein Entgelt, die Zwangsarbeiterinnen allerdings erhielten keinen Pfennig. Ihr Versuch, nach dem Krieg von dem Rechtsnachfolger der Rüstungsfirma eine Zahlung zu erhalten, scheiterte, obwohl das Unternehmen von der Bundesregierung 2,5 Millionen Mark für den Verlust des Werkes in Auschwitz erhalten hatte.

Die Klägerinnen, die bis auf eine aus Osteuropa kommen, blieben von Entschädigungsleistungen bislang vor allem deshalb ausgeschlosssen, weil nach dem Bundesentschädigungsgesetz von 1953 Anspruchsberechtigte nur Deutsche waren. Zwar wurden von den Regierungen Adenauer und Erhard entsprechende Entschädigungsabkommen mit elf europäischen Staaten geschlossen. Osteuropäische Staaten, aus denen ein Großteil der Zwangsarbeiter kam, wurden dabei allerdings nicht berücksichtigt. Erst nach dem Fall des Eisernen Vorhangs schöpften die Opfer neue Hoffnung.

Beklagte ist die Bundesregierung, die bis heute nicht bereit ist, die geltend gemachten Schadenersatzansprüche anzuerkennen. Bei der gestrigen Verhandlung machte der Vorsitzende Richter Heinz Sonnenberger erneut deutlich, daß die Kammer die Ansprüche der 21 Frauen der Sache nach für berechtigt hält.

Obwohl das Verfahren bereits seit 1992 anhängig ist, konnte eine Enscheidung bislang nicht fallen. Das Bonner Landgericht hatte das Verfahren ausgesetzt und folgende Frage dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt: Stehen allgemeine Regeln des Völkerrechts den individuellen Klagen der Betroffenen entgegen? Dieses Problem tauchte deshalb auf, weil das Völkerrecht in der Regel davon ausgeht, daß Einzelpersonen anderer Staaten ihre Ansprüche auf ihre Regierung übertragen und diese dann die Ansprüche geltend machen. Das Bundesverfassungsgericht entschied aber im Mai dieses Jahres zugunsten der Klägerinnen. Mangels entsprechender Verträge zwischen den osteuropäischen Staaten und der Bundesrepublik stünde dem Bonner Verfahren nichts entgegen.

Das Gericht muß nun vor allem über die Höhe der Entschädigungszahlungen entscheiden. Richter Sonnenberger nannte eine Summe von 10.000 Mark. Die Klägerinnen, die im Durchschnitt ein Jahr Zwangsarbeit leisteten, verlangen mindestens 22.000 Mark. Der Anwalt der Bundesregierung, Konrad Redecker, kündigte an, daß er keinem Vergleich zustimmen werde. Damit dürfte das Verfahren durch weitere Instanzen gehen.

Sollte dies geschehen, wird möglicherweise ein Teil der Klägerinnen das Ergebnis wohl nicht mehr erleben. Schon jetzt ist der einzige Mann, der in dem Verfahren geklagt hatte, verstorben. Der Vorsitzende Richter nahm diese Mitteilung gestern zum Anlaß, auf die Dringlichkeit des Verfahrens hinzuweisen. Die meisten Klägerinnen sind schon heute über 70 Jahre alt.

Das scheint Bonn wenig zu interessieren. Schon aus finanziellen Gründen, so die Auffassung des Anwalts der Bundesregierung, Redecker, komme es nicht in Frage, die Ansprüche der Zwangsarbeiterinnen anzuerkennen. Immerhin könnten bei einem für die Klägerinnen positiven Prozeßausgang weitere rund 350 Zwangsarbeiter gegen die Bundesrepublik klagen. Julia Albrecht

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