piwik no script img

Nur noch Kadaverpolitik?

GAL-Parteitag: Hitzige Debatte um Altenwerder als „Knackpunkt“/ Leidenschaftsloser Leitantrag „Arbeit und Umwelt“  ■ Von Silke Mertins

„Seid ihr denn bereit, ein AKW zu akzeptieren, nur weil die erste Baugenehmigung da ist?“ richtete der letzte Fischer Altenwerders, Heinz Oestmann, gestern einen flammenden Appell an die GAL-Mitgliederversammlung. Daß die Partei, die er einst mitgründete, überhaupt erwägt, die Schlacht um Altenwerder als verloren zu betrachten, ist für ihn Verrat. „Ihr seid ein trauriger Verein geworden.“

Die Initiative „Rettet die Elbe“ verlangt „eine klare Stellungnahme der GAL“, ob sie den Widerstand aufgibt, nachdem das Gericht den Baustopp aufgehoben hat. Altenwerder-Kläger Werner Boelke will die Hafenerweiterung als zentrales Wahlkampfthema und „Knackpunkt“ in möglichen Verhandlungen mit der SPD sehen.

Die GAL-Realos haben sich jedoch bereits gegen „Verhinde-rungsthemen“ ausgesprochen. „Man kann doch nicht einen Kadaver zum Knackpunkt machen“, winkt selbst eine GAL-Linke ab.

„Wir lassen keinen Zweifel aufkommen, daß wir die Hafenerweiterung verhindern wollen“, so GAL-Fraktionschef Willfried Maier in der Debatte. Doch eine Knackpunkte-Politik käme für ihn nicht in Frage. Der Konflikt zwischen der Initiative und der GAL – „Rettet die Elbe“ lehnt die GAL-Unterstützung ab – sei „lächerlich“. „Ihr verwechselt protestantische Gewissenserforschung mit Politik“, so Maier. Man müsse statt dessen „die Form des Widerstands ändern“; die Hafenerweiterung über die millioneschwere und bisher ungeklärte Finanzierung kippen.

„Es hat zu keinem Zeitpunkt ein Wackeln bei Altenwerder gegeben“, rechtfertigte sich der hafenpolitische Sprecher der Rathaus-GAL, Alexander Porschke. Eine Resolution, die die beiden Seiten versöhnen soll, aber Altenwerder als „Knackpunkt“ offen läßt, wurde mit großer Mehrheit angenommen.

Deutlich weniger leidenschaftlich wurde die Debatte um den Leitantrag des Landesvorstands „Arbeit und Umwelt“ geführt; er enthält fast ausschließlich abstrakte Forderungen wie „Aktionsprogramm zur Energiewende“, „Ausbau des Armutsbekämpfungsprogramms der Stadt Hamburg“ oder „Förderung des ökologischen Umbaus“. In den acht Änderungsanträgen wurde vor allem kritisiert, daß Frauen- und Migrationspolitik ausgespart werden. „Wir machen doch nicht für homogene deutsche Hamburger Politik“, ist GALier Mahmut Erdem sauer. Und „ich bin nicht in die GAL eingetreten, um mitzuerleben, wie emanzipatorische Frauenpolitik unter den Teppich gekehrt wird“, schimpft auch Heide Simon. Es könnten doch nicht alle „berechtigten Einzelinteressen“ berücksichtigt werden, erklärt GAL-Realo und Verleger Jo Müller, warum Frauen und Migranten nach seiner Auffassung nicht in den Leitantrag gehören. Der Vorstand entschied sich anders. Er nahm die meisten Vorschläge auf. Der Antrag „Arbeit und Umwelt“ wurde mit großer Mehrheit angenommen. Erstmals richtete zudem gestern ein Gewerkschaftler ein Grußwort an die GAL-Mitgliederversammlung: Rolf Fritsch, Chef der ÖTV-Nord sprach sich für eine ökologische Steuerreform aus. In der Frage Altenwerder und Elbervertiefung, so Fritsch, seien ÖTV und DGB allerdings anderer Meinung als die GAL.

Die eigentliche Debatte um die GAL-Wahlkampfthemen wurde auf Mittwoch verschoben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen