piwik no script img

Dienstleistungsmetropole speckt ab

■ Projektentwickler Roland Ernst verzichtet im ABB-Komplex am Potsdamer Platz auf die Hälfte der Bürofläche. Markt für Büroflächennutzung ist ausgereizt. Hotelsuiten versprechen mehr Rendite

Die große Idee vom Dienstleistungszentrum am Potsdamer Platz bröckelt. Stattdessen läßt Las Vegas grüßen. Anstelle der geplanten Bürogebäude entlang der Köthener Straße, die der Architekt Giorgio Grassi in seinem städtebaulichen Entwurf für den Elektronikriesen Asea Brown Boveri (ABB) vorgesehen hat, wollen die Projektentwickler Roland Ernst/ Terreno eine Umnutzung vornehmen. Diese soll an die Tradition des Vergnügungsviertels aus den zwanziger Jahren anknüpfen.

In den langen Komplex, der vom Potsdamer Platz bis an den Landwehrkanal reicht, soll ein Hotel- und Konferenzzentrum einziehen. Im neuen „Haus Vaterland“, das direkt der Platzseite zugewandt ist, würden dann Touristen und Geschäftsleute logieren, der Hauptsitz von ABB müßte in die zweite Reihe rücken. Die Absichten von Roland Ernst und Terreno sind klar: Weil zur Zeit die Bürolandschaft in der Stadt nicht genug Rendite verspricht, soll auf ertragreichere Bauprojekte umgesattelt werden. Man müsse, sagte der Investor Roland Ernst, „auf den Markt antworten“. Der Hotelkomplex und das angegliederte Kongreßzentrum könnten bis zu 30.000 Quadratmeter Bruttogeschoßfläche einnehmen.

Dies bedeutet, daß knapp die Hälfte der Gesamtfläche eine neue Nutzung erhielte. Von der Unternehmensgruppe ABB war gestern keine Stellungnahme zu erhalten. Auch der ABB-Nachbar Debis/ Daimler Benz hat seinen Büroanteil reduziert. Außerdem steht der Konzern mit dem Bundesbauminister in Verhandlungen, um in den Neubauten das Bundesinnenministerium einzuquartieren. Für die langgestreckten Ensemble aus Bürogebäuden, Geschäftshäusern und Wohnbauten war im vergangenen Jahr mit bauvorbereitenden Maßnahmen begonnen worden. Für die fünf Blöcke – mit einer Nutzfläche von 74.000 Quadratmetern – hatte Grassi 1993 einen Entwurf geliefert, der von mehreren Teams realisiert wird. Den zwölfstöckigen Kopfbau Haus Vaterland, die drei Noch-Büroblöcke sowie der abschließende Wohnkomplex an der Linkstraße ziehen die Architekturbüros Sawade, Schweger & Partner, Diener und Grassi hoch. 1997/98 soll der größte Teil des Bauvorhabens fertiggestellt sein.

Bei dem Projekt hatte es in der Vergangenheit immer wieder Schwierigkeiten gegeben. Wegen der unter den Bauten verlaufenden Trasse der U-Bahn-Linie 2 sowie den Planungen für die S21 war es 1995 quasi zu einem Baustopp gekommen. Außerdem mußte der Investor für die Wagenburg an der Köthener Straße nach einem neuen Stellplatz Ausschau halten. Rolf Lautenschläger

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen