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Goldene Nasen & Kameras

Springer-Verlag hat Angst vor Konkurrenz: Das Groß Borsteler Filmfest „Goldene Camera“ muß sich umbenennen  ■ Von Ulrike Winkelmann

Holger Becker kann zwar endlich wieder gut schlafen, das Vertrauen in den Rechtsstaat hat er aber verloren. Denn Becker muß sein „Internationales Kurzfilmfestival Goldene Camera“ umtaufen, weil nämlich das Axel-Springer-Magazin Hörzu regelmäßig ein Fernsehspektakel gleichen Namens veranstaltet. Seit zehn Jahren richtet der 52jährige Becker gemeinsam mit seiner Frau „sein“ Festival in Hamburg aus. Das Bezirksamt Nord fördert es jährlich mit 2500 Mark.

Als Becker sich in diesem Jahr an den Axel-Springer-Verlag um Sponsorenmittel wandte, bekam er zwar kein Geld, dafür aber eine Mitteilung der Rechtsabteilung, daß er gefälligst den Namen seines Fests ändern solle, sonst werde prozessiert. Da sich Becker dies nicht leisten kann, hat er nun eine Unterlassungserklärung unterschrieben. Die Kosten für Rechtsanwalt und die ausgefallenen Einnahmen in diesem September, als er schon nicht mehr mit dem Label „Goldene Camera“ werben durfte, belaufen sich auf mehr als 3000 Mark.

Er habe schon an Friede Springer nach Berlin geschrieben, an ihre Menschlichkeit appelliert, erzählt Becker, er hätte sogar „das Festival freiwillig Goldene Tomate oder Goldene Nase genannt“, wenn er dafür doch noch ein paar Sponsorenmark bekommen hätte, aber nein – „da sind die ganz ungerührt“.

„Wir können unsere Marken nicht verwässern lassen“, erläutert Andrea Deters von der Rechtsabteilung des Springer-Verlags. Sie habe Becker einen zunächst „relativ kooperativen Brief geschrieben“ und ihn auf die „Zeichenverletzung“ hingewiesen, da er jedoch unwirsch reagiert habe, seien als nächstes die Springer-Anwälte eingeschaltet worden. Der Verlag habe sich in seiner Wettbewerbsfreiheit beschränkt gesehen, denn, sagt Deters: „Immerhin richten wir unsere Veranstaltung auch als Festival aus.“

Vor Gericht, meint Beckers Anwalt Tim Burkert, hätte er gute Argumente gehabt: „Fraglich ist doch, ob es sich bei dem Filmfest überhaupt um ein gewerbliches oder geschäftliches Unternehmen handelt.“ Becker habe jährlich 20 Plakate in Groß Borstel geklebt, höchstens 150 Zuschauer gehabt. Eine Vergleichbarkeit der TV-Show mit Beckers Groß Borsteler Festivität sei vermutlich kaum gegeben, das Verlangen des Springer-Verlags nach Markenschutz daher überflüssig.

Überdies hätte der Verlag lange Kenntnis von Beckers Goldener Camera haben müssen. „Seit 1988 berichtet die Springer-Presse regelmäßig über das Festival“ – in ihren kleinen Lokal- und Wochenblättern zumeist, erklärt Becker. „Wie konnte ich da ahnen, daß die mir so kommen?“ Auf der ganzen Welt würden am laufenden Meter Goldene Kameras verliehen, in Cannes, in Chicago, siebenmal insgesamt – aber ihn habe es jetzt erwischt. „Das ist nur eine kleine Fliege, die treten wir jetzt platt, haben die sich gedacht“, so Becker, der nach eigenen Angaben „zurückgezogen und bescheiden“ lebt.

Alljährlich, sagt er, gibt er viel privates Geld dafür aus, daß die eingeladenen Regisseure – „vor allem aus dem Ostblock, die haben ja selbst nichts“ – zum Filmfest ins Groß Borsteler Stavenhagenhaus kommen können. „Um sich solche Mühe zu machen, muß man eigentlich verrückt sein“, aber Beckers Herz schlägt nun einmal für den kurzen Film, und deshalb tingelt er über Kurzfilmfeste, spricht dort mit den Macherinnen und Machern der Filme, die ihm imponiert haben, pflegt alte Kontakte und bekommt so ein paar hundert Streifen zugesandt, die er im Laufe eines Jahres sichtet. Die Liste der Gold-, Silber-, Bronze- und Extrapreise des Festes ist lang: Bei Becker gibt es keine Verlierer.

Der Schwerpunkt des Festes seien „völkerverbindende Themen“; ohne altmodisch wirken zu wollen, ist Becker bei der Auswahl der Filme „ein wenig puritanisch“ und wehrt sich dagegen, „daß nur noch alles gut sein soll, was schräg und schön schief ist“. Nein, ihm geht es um Menschenschicksale, Ergreifendes und Tief-Anrührendes. „Vielleicht bin ich ein sehr ernster Mensch“, vermutet er, und das mache es ihm oft so schwer.

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