■ Presseschau: Katharsis alla turca – „Saubere Hände“
In der letzten Zeit haben sich in der Türkei die Vorfälle gemehrt, bei denen die Verbindung zwischen dem türkischen Staat und der Unterwelt zutage kam. Der neueste Vorfall, ein Autounfall in der Nähe des türkischen Städtchens Susurluk, bei dem drei der vier Insassen tödlich verunglückten, sorgt nach wie vor für höchstes Aufsehen in der türkischen Öffentlichkeit. Der Fahrer des Wagens, Mustafa Kocadag, ehemaliger Vizepolizeichef von Istanbul, die beiden Insassen im Fond des schwarzen Mercedes, eine ehemalige Schönheitskönigin und der allseits gesuchte Mafiapate Abdullah Catli verunglückten tödlich. Der Kurde Sedat Bucak dagegen, der mit seiner privaten 10.000-Mann-Armee gegen die PKK kämpft, und ein Abgeordneter der Partei Frau Çillers sind mit dem Leben davongekommen.
Die Öffentlichkeit fragt sich natürlich zu Recht, was diese vier Personen zusammengeführt haben könnte. Nahezu alle Medien unterstützen nun eine Kampagne „Temiz Eller“, zu deutsch „Saubere Hände“. Die Kampagne soll nach italienischem Vorbild die Verflechtung des Staates, der Militärs, der Polizei und der Justiz mit der Unterwelt, dem Drogenhandel und der Geldwäsche aufdecken. In allen in Frankfurt erscheinenden türkischen Tageszeitungen werden seit Wochen hitzige Debatten darüber geführt, wie der Prozeß der „Sauberen Hände“ vonstatten gehen soll. Jedenfalls will die türkische Polizei nun die ersten „Sauberen Hände“ haben. In einem Interview mit der liberalen Tageszeitung Milliyet (Frankfurt) führte der oberste Polizeipräsident Alaatin Yüksel folgendes über die Umstrukturierung der türkischen Partei aus: „Auf die Polizei des 21. Jahrhunderts, die in erster Linie als Instanz das Vertrauen der Bürger besitzen sollte, kommen andere Aufgabengebiete zu. Zu diesem Zweck riefen wir die Kampagne ,Saubere Hände‘ ins Leben. Es ist vorgesehen, daß alle unsere Beamten eine Besitzstandserklärung abgeben müssen. Ergeben sich bei einem Beamten unerklärliche Reichtümer, so haben wir dann die Möglichkeit, ihn zur Rechenschaft zu ziehen.“
2.12.96
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