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„Die Gewalt gewaltlos besiegen“

■ Interview mit Vuk Drašković (50), dem Vorsitzenden der Serbischen Erneuerungsbewegung, über das Serbien der Zukunft

taz: Herr Drašković, kann man Ihnen schon gratulieren?

Vuk Drašković: Für was?

Für den Erfolg, mehr als 20 Tage lang Zigtausende von Menschen auf die Straße gebracht zu haben, die jetzt das Regime erzittern lassen.

Wir haben uns entschlossen, es den Tschechen nachzumachen. Die haben 37 Tage lang demonstriert und schließlich die Freiheit erlangt. Wenn das geschafft ist, können Sie mir gratulieren.

Sie sind aber in einer anderen historischen Situation. Und Sie handeln ja auch anders. Sie spekulieren auf internationalen Druck.

Ich fordere nicht internationale Hilfe, um Serbien zu demokratisieren. Ich fordere aber, daß die internationale Gemeinschaft darauf achtet, daß Milošević die Verpflichtungen einhält, die er in Dayton unterschrieben hat. Daß er die demokratischen Rechte der serbischen Staatsbürger anerkennt, daß er keine Gewalt gebraucht. Leider wird von der internationalen Gemeinschaft nicht beachtet, daß Milošević jede Nacht Demonstranten gefangennehmen läßt, die von der Polizei gefoltert werden. Und dabei weiß ich, wovon ich spreche, denn ich selbst bin 1993 von der Polizei fast totgeschlagen worden.

Wie wollen Sie aus der jetzigen Pattsituation herauskommen?

Wir werden einfach weitermachen wie bisher, lotta continua. Es ist eine friedliche Bewegung, weil nur die gewaltlose Bewegung die Gewalt und die Lüge besiegen kann. In unserem Kampf steht das Serbien der Zukunft gegen das Serbien der Vergangenheit, gegen den Willen von Milošević, Serbien zu einer Bastion des überlebten Weltkommunismus zu machen.

Das Serbien der Zukunft, wie soll es denn aussehen? Gibt es da auch Platz für die nichtserbischen Staatsbürger Serbiens, die Kosovo-Albaner zum Beispiel?

Ich sagte gerade am Wochenende, das Serbien des Friedens und der Demokratie wird gleiche Rechte für alle garantieren. Mein politisches Programm ist das einzige, das beiden, Albanern und Serben, hilft. Kosovo ist eine Art Jerusalem der Serben und hat gleichzeitig eine albanische Bevölkerungsmehrheit. Es sollte bei Serbien bleiben, zur gleichen Zeit jedoch sollten die Albaner alle möglichen kulturellen und regionalen Rechte erhalten entsprechend den höchsten europäischen Standards.

Wie denken Sie über Bosnien?

Die alten Politiker, die uns in den Krieg geführt haben, müssen verschwinden. Alle Vertriebenen müssen wieder nach Hause gehen können, die Kriegsverbrecher aller Seiten sollten gefaßt und abgeurteilt werden. Wir sollten gemeinsam über eine balkanische Union nachdenken, die dann in die Europäische Union strebt. Wir erkennen die Grenzen Bosnien-Herzegowinas und Kroatiens an. Diese Grenzen sollten aber so unsichtbar wie möglich sein. Wir sollten in Bosnien wieder diese wunderbare multiethnische, multireligiöse, multikulturelle Landkarte herstellen, wo Muslime, Kroaten, Serben und Juden wie in den Jahrhunderten zuvor friedlich zusammenleben. Bosnien wäre dann ein moderner Teil eines demokratischen Europas, das die Menschenrechte achtet.

Wird diese Auffassung auch von den beiden anderen Führern der Oppositionstroika, Vesna Pesić und Zoran Djindjić, geteilt?

Meine Partei ist die führende Kraft in diesem Bündnis. Es mag sein, daß Zoran Djindjić in der Vergangenheit Karadžić in Bosnien unterstützt hat. In dieser Zeit habe ich Demonstrationen und Proteste gegen die ethnische Säuberung organisiert und wurde dafür verfolgt. Aber Vergangenheit ist Vergangenheit, jetzt stehen wir eng zusammen. Ich brauche mich jedenfalls meiner Vergangenheit nicht zu schämen, ich kann stolz auf sie sein.

Und was war 1990? Da haben Sie doch zusammen mit dem Tschetnikführer Vojislav Seselj Milizen aufgebaut und nationalistische Reden gehalten. Das hat im Ausland Irritationen ausgelöst.

Nein, nein. Das ist eine Propagandalüge. Seselj ist bei der Gründung der serbischen Erneuerungsbewegung im März 1990 der Partei beigetreten, aber schon zwei Monate später von uns ausgeschlossen worden, weil er ethnische Säuberungen forderte. Er ist ein Rechtsradikaler, der den Krieg wollte. Ich dagegen habe seit 1990 die Leute aufgefordert, den Krieg zu verhindern, zu desertieren. Seselj ist jetzt wieder im Bett von Milošević gelandet, er ist ein wirklicher Nazi.

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