SPD aus dem Gleichschritt

■ Neben einem Großteil der Grünen lehnen auch mindestens 15 Sozialdemokraten die Entsendung der Bundeswehr nach Bosnien ab und verlangen einen UN-Einsatz

Bonn (taz) – Monatelang hatte es so ausgesehen, als ob der Nato-Einsatz der Bundeswehr in Bosnien fast ohne Gegenstimmen vom Bundestag abgesegnet würde. Nur wenige Tage vor der Parlamentsdebatte aber hat sich das Bild gewandelt: Die Gegner formieren sich. Die meisten Grünen, aber auch Teile der SPD lehnen den Antrag der Bundesregierung ab.

Die Grünen haben sich gestern nach wochenlangem Tauziehen auf einen gemeinsamen Antrag zum Thema Bosnien geeinigt. Mit 35 Jastimmen wurde bei 8 Neinstimmen in der Fraktionssitzung ein Entwurf angenommen, in dem „eine qualitative Ausweitung des Bundeswehreinsatzes, wie von der Bundesregierung vorgesehen“, abgelehnt wird.

Die Grünen fordern, das Ifor-Nachfolgemandat durch eine von der UN geleitete friedenserhaltende Mission zu ersetzen. Ein Ifor-Nachfolgemandat soll dem Antrag zufolge ein „Sicherheitsvakuum“ in der Übergangszeit vermeiden.

Auf die UN statt auf die Nato setzt auch eine Minderheit in der SPD-Fraktion. Bisher haben 15 Abgeordnete angekündigt, dem Antrag der Bundesregierung nicht zustimmen zu wollen. Befürworter des Regierungsantrags sehen dem Minderheitsvotum aus den eigenen Reihen offenbar gelassen entgegen. „Ich habe volles Verständnis für die Position“, sagte der stellvertretende Fraktionschef Günter Verheugen zur taz. „Es ist eine originäre Aufgabe der UNO. Aber die UNO sagt selbst, daß sie das nicht zustande bringt. Dann muß man sich von denen helfen lassen, die bereit sind, zu helfen.“

Bei den Grünen ist das Bosnienthema weiter umstritten. Bei einer Probeabstimmung in der Fraktion fand der Regierungsantrag gestern zwei Jastimmen. 15 Abgeordnete wollen sich enthalten. In dem fraktionseigenen Antrag sieht die verteidigungspolitische Sprecherin der Fraktion, Angelika Beer, einen „grünen Doppelbeschluß gegen Rühe und die Nato“. Marieluise Beck, die vor einem Jahr für den Bundeswehreinsatz gestimmt hatte, fürchtet, daß die Nato nun dazu benutzt wird, die UNO an den Rand zu drängen. Einige Fraktionslinke sehen in dem Antrag eine Niederlage für „Realo“ Joschka Fischer. Dem widerspricht Beck entschieden: „Ich finde es absolut unangemessen, in einer Frage, die uns allen tiefe Gewissenskonflikte bereitet hat, in Kategorien von Sieg und Niederlage zu arbeiten.“ Ähnlich sieht es Fraktionssprecherin Kerstin Müller. Weder Linke noch Realos hätten auf ihren Positionen beharrt. Bettina Gaus

Siehe auch Interview Seite 5