piwik no script img

Vom Erfolg des Mittelmaßes

Alice Schwarzer ist nicht nur mit ökonomischem Verstand gesegnet. Wie sonst läßt sich erklären, daß sich die „Emma“, die sich dezidiert der Würde der Frau widmet, 20 Jahre halten konnte, während apokalyptische Gegenwinde wehen und die Mehrzahl der Frauen abhängiger denn je ist vom schlanken Staat und den Ersatz-Ehemännern. Über „Emma“ nachzudenken, heißt immer auch Alice Schwarzer zu fokussieren, die vor allem bei den Linken nie eitel Wohlgefallen ausgelöst hat, auch nicht bei ihren Mitarbeiterinnen. Doch muß honoriert werden, daß Alice Schwarzer derart arrivieren konnte, ihre Rampenhurerei in jeder Talk- Show inklusive, schließlich hat sie es mit ihrer superschnellen (emotionalen) Intelligenz geschafft, den Feminismus der Peinlichkeit zu entheben. Der kleine Mann auf der Straße kennt und schätzt sie und immer mehr Hausfrauen finden sie toll. Es wird die „Emma“ wohl noch die nächsten 10 Jahre geben, gesegnet mit treuen Leserinnen. Die seit 20 Jahren über Franziska Beckers Karikaturen lachen können und mit den feminaphilen Inhalten d'accord gehen, schließlich kann die „Emma“-Leserin per se nicht homophob sein. Auch wenn sie schon mal in Affenmaskenmonitur das Mobiliar kurz- und kleinschlägt, weil Alice Schwarzer neugierig auf den Juden Singer zu sein beliebt.

Das scheint überhaupt der Angelpunkt der „Emma“-Politik zu sein, die eine Schwarzer-Politik ist und bleiben wird: Konzessionen zu machen, manchmal päpstlicher als der Papst, in punkto „political correctness“, und dann doch wieder selbstbewußt auf einsamen Schwarzer- Höhen je nach Gusto. Wer Alice Schwarzer persönlich kennt, weiß um ihre Eloquenz, ihre Neugierde, ihren schwarzen Humor, ihre Offenheit. Doch wer für sie schreibt, muß immer auch mit der Taktikerin Alice Schwarzer leben. Da gibt es dann Rotstriche für die aliterarische Spiri-Spiri-Landlesbe, damit die nicht das Abo kündigt. Mich haben Alice Schwarzers Streichungen nie überzeugt, schließlich hänge ich an den eigenen Worten wie Alice am Ohr der gemeinen Lesbe. Doch „Emma“ wird nicht von millionenschweren Frauen gesponsert. Aus diesem Grund sei betont, daß Alice Schwarzer der brillanten Gloria Steinem aus New York und deren fast 30jähriger „Ms.“ durchaus ebenbürtig ist. Was macht es schon, wenn „Emma“ es sich nicht leisten will, als elitär verschrien zu werden. Frauen lieben schließlich das Mittelmaß. Deshalb kommt „Emma“ im 20. Jahr solide und stoisch des Wegs. Happy Birthday, dear „Emma“, und many happy returns of the day. Brigitte Siebrasse, „Emma“-Autorin seit 1980, Entdeckerin von Djuna Barnes

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen