piwik no script img

Disziplinarstrafe gegen Lübecks Bürgermeister

■ Dienstvergehen: Reisedokumente für Angehörige von Brandopfern

Kiel (taz) – Lübecks Bürgermeister Michael Bouteiller muß für sein Engagement für die Überlebenden der Lübecker Brandkatastrophe voraussichtlich 6.000 Mark bezahlen. Der schleswig-holsteinische Innenminister Ekkehard Wienholtz hat seinen SPD-Parteifreund mit einer Disziplinarstrafe wegen Dienstvergehens belegt. Rechtswidrig hatte Bouteiller zwei Angehörigen der Opfer Reisedokumente und Aufenthaltsgenehmigungen ausgestellt, um ihnen eine angstfreie Reise in ihre Heimatländer zur Beerdigung ihrer Angehörigen und die Rückkehr nach Deutschland zu ermöglichen. Hinnehmen will der streitbare Sozialdemokrat die Strafe nicht. Gestern erklärte er, er werde Widerspruch vor dem Verwaltungsgericht einlegen. „Dem Innenminister ist es nicht gelungen, überzeugend zu begründen, daß ich mich rechtswidrig verhalten habe“, meinte Bouteiller.

Die Papiere hatte Bouteiller Anfang Februar einer Libanesin und einem Zairer gegeben. Er habe in dieser Situation bei der Rechtsabwägung sich für den obersten Leitsatz der Verfassung entschieden, nämlich das Leben von Menschen und deren körperliche Unverletzlichkeit zu bewahren, sagte der Bürgermeister gestern. Sein Kontrahent Wienholtz betonte in seiner Mitteilung hingegen: Wäre der vom Bürgermeister gewählte Weg eingeschlagen worden, wären die betroffenen Personen in eine wesentlich ungünstigere ausländerrechtliche Position geführt worden. Der Minister erinnerte daran, daß sein Ministerium in Abstimmung mit dem Bundesinnenminister und dem Auswärtigen Amt bereits einen rechtlich einwandfreien Weg gefunden gehabt habe, um den beiden Asylbewerbern sowohl die Teilnahme an der Beisetzung ihrer Angehörigen in deren Heimatländern wie auch die Wiedereinreise, verbunden mit einer längerfristigen Aufenthaltsbefugnis aus humanitären Gründen, zu ermöglichen. Diese Argumentation bezeichnete Bouteiller als brüchig. Er verwies darauf, daß der Innenminister die Wiedereinreise selbst erlaubt habe, obwohl die geltenden Vorschriften auch dieses nicht erlaubten. Ein eindeutiger Aktenvermerk belege dieses.

Außerdem bezweifelte der Bürgermeister, daß ein wirklich rechtsstaatsliches Verfahren der Disziplinarstrafe vorangegangen sei. Eine ergebnisoffene Beurteilung sei seiner Ansicht nicht mehr gegeben gewesen, nachdem Wienholtz ihn öffentlich zum Rücktritt aufgefordert habe. Bereits kurz nach dem Brand war der Bürgermeister in die Schlagzeilen geraten, weil er zu zivilem Ungehorsam im Zusammenhang mit Bleiberecht für Ausländer aufgerufen hatte. Für sein Engagement im Zusammenhang mit der Lübecker Brandkatastrophe war Bouteiller Ende September mit der Clara-Immerwahr- Auszeichnung geehrt worden. Kersten Kampe

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen