: Ruhm und Ehre für die Agitprop
■ Die Ausstellung "Parteiauftrag: ein neues Deutschland" im Deutschen Historischen Museum zeigt Wunschbilder der frühen DDR. Die Kreativität in den Propagandaabteilungen war wesentlich höher als die Produktivi
Auch der „kleine Muck“ stand im Sold der SED-Propagandameister. So jedenfalls wird die von der DEFA 1953 verfilmt Figur des Märchenerzählers Wilhelm Hauff im Deutschen Historischen Museum erwähnt. Seine Botschaft an die Ostkids sei gewesen, daß nicht Reichtum zähle, sondern Hilfsbereitschaft und Freundschaft, heißt es bei der Ausstellung „Parteiauftrag: ein neues Deutschland“. Die gestern eröffnete Schau will anhand von „Bildern, Ritualen und Symbolen der frühen DDR“ zeigen, wie von 1945 bis 1961 die „großen Visionen und Illusionen in der Welt der Propaganda scheinbar Wirklichkeit werden“.
Die ausgestellten Beispiele sprechen tatsächlich für sich: Auf Plakaten und in Fernsehschauen werden Erfolge reklamiert, die der Realität weit voraus waren. In den Parolenschmieden der Agitpropper war die Kreativität wesentlich höher als die Arbeitsproduktivität in den anderen Betrieben. Auffällig, weil von den Gestaltern der Ausstellung so beabsichtigt, ist die häufige Anlehnung der DDR-Propaganda von Kriegsende bis zum Mauerbau an die Formensprache des NS- und Sowjetstaates.
Das hat vor allem einen Grund: Die Nazis, die ihrerseits viel von der Kultur der Arbeiterbewegung abgekupfert hatten, hatten den ostdeutschen Kommunisten eine sowohl traumatische wie faszinierende Erfahrung beschert. Es war ihnen mit Hilfe dieser Formen gelungen, die Herzen der deutschen Jugend zu erobern. Der SED ging es vor allem um die Durchsetzung und Sicherung ihrer Macht. Sichtbar wurden diese künstlerischen Ähnlichkeiten im Propagandastil an heroisch dreinblickenden Plakatjünglingen, Fackelträgern usw. Gemixt wurde das alles mit den Sowjetstilen. Die Parolen wie „Ruhm und Ehre für unsere Aktivisten“ waren daher echte Importware aus dem Bruderland.
Doch der Overkill der Politlosungen erwies sich aber bald als Flop, weshalb auf manch siegesgewissen Spruch später verzichtet wurde. Dies nicht zuletzt deshalb, weil ab den 60er Jahren auch die Visionen der Partei öffentlich etwas zurückgeschraubt und mehr auf die Konsumbefriedigung der BürgerInnen orientiert wurden.
Bis dahin ging es aber oft noch hölzern zu. In einer Agitprop- Welt, wo jeder Handgriff zur Friedenstat geriet, sprießten auch künstlerisch die tollsten Blüten. Auf Ölschinken verewigte man die „Übergabe des Parteidokuments“. Wandparolen versprachen, die Zeit der Erfolge habe begonnen. Kein Wunder, daß es da zum „neuen sozialistischen Menschen“ nicht weit war. Zehn Gebote erklärten 1958, wodurch der Homo socialisticus sich auszeichnete: Nämlich unter anderem durch das Vollbringen großer Taten für den Sozialismus und den Beweis, in seinem Leben immer sauber und anständig zu bleiben.
Vieles wirkt heute eher skuril, denn schockierend, wie die „Stafette der guten Taten der Werktätigen des Bezirkes Magdeburg“ zum zehnten Republikgeburtstag. Andererseits erlaubt die Ausstellung als Teil einer Serie zur Kulturgeschichte der DDR auch keinen direkten Vergleich zu damaligen westdeutschen Propagandawerken, die auch nicht immer durch lockere Flockigkeit beeindruckten. Mancher Westbesucher dürfte ohnehin etwas erstaunt sein, daß die SED-Spitzen in den 50ern auch für ein einheitliches Deutschland (natürlich unter sozialistischen Vorzeichen) heftig die Werbetrommel rühren ließen. Ein heute besonders auffälliges Plakatargument dazu heiß übrigens: „Korea den Koreanern, Deutschland den Deutschen“.
Die typischen illusionär-entlarvenden Botschaften, mit denen die Aussteller zeigen wollen, wie sich der DDR-Staat „als Produkt verkauft“, sind freilich nicht immer als solche auf Anhieb erkennbar. Ähnlichkeiten zur marktwirtschaftlichen Werbung drängen sich etwa bei einer Posterserie unter dem Motto „Für dich, Für mich, Für alle“ auf. Groß ist ein schokoladenverschmierter Kindermund zu sehen ist und erst auf den zweiten Blick die Erfolgsstatistik über die Einfuhr von Kakaoerzeugnissen. Gunnar Leue
Die Ausstellung ist bis zum 11.März 1997 geöffnet, der Katalog kostet 58 Mark
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