: Gegen das Verliererimage
■ Bonn sucht ein neues Profil jenseits des Regierungstourismus und gründet eine Tourismus GmbH
Zu unbeschwerten Hauptstadtzeiten warb Bonn mit einem neckischen Logo um Besucher: Anstelle des O in „Bonn“ prangte ein einladender Kußmund auf Fähnchen, Aufklebern und Broschüren. Die Touristen kamen trotzdem – schließlich galt es, den politischen Mittelpunkt Deutschlands zu bereisen. Daß die ehemalige Hauptstadt allein wegen des lauen Logos kein Besucherboom mehr ereilen wird, hat man inzwischen eingesehen: Eine Tourismus GmbH vermarktet ab Anfang nächsten Jahres zusammen mit der privaten Fremdenverkehrswirtschaft die Stadt Bonn und die umliegenden Kreise.
„Wir müssen uns endlich professioneller verkaufen“, erklärt Bonns Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann (SPD) die Dringlichkeit der Initiative. Wird der Tourismus weiter vernachlässigt, versprengt es demnächst nur noch ein paar verwirrte Touristen mit veralteten Reiseführern vor den entvölkerten Bundestag, prophezeien Pessimisten. Das Konzept der neuen Tourismus GmbH soll der Fremdenflucht einen Riegel vorschieben. Von Endzeitstimmung und Verliererimage will man sich nun mit einem Profil jenseits des Regierungstourismus loswerben. Statt an den Wirkungsstätten der Politprominenz sollen die Reisebusse künftig im romantischen Rhein-Siegtal halten. Weniger Naturverbundenen will die GmbH die Region Bonn als Geburtsstadt Beethovens und Museumsstandort verkaufen.
Den Anstoß zur Gründung der Tourismus GmbH gab eine Studie des Europäischen Tourismus Instituts Trier und der Infas Sozialforschung GmbH Bonn. Aus Soforthilfemitteln des Bundes finanziert, lag sie pünktlich zur Umzugsentscheidung 1991 vor. In dem über 400 Seiten dicken Werk zeichnen die Verfasser von den Übernachtungszahlen bis hin zur Golfplatzdichte das touristische Profil der Bonner Region. Fazit der Erhebung: „Unmoderne Angebotsstrukturen“ lassen potentielle Touristen im Zweifelsfall an die Spree oder in den Schwarzwald abwandern.
Zu kurz kommt Bonn bei dem Verbund auf keinen Fall – mit dem Freizeit- und Erholungswert der umliegenden Regionen Rhein- Sieg und Ahrweiler poliert die Stadt ihr touristisches Image kräftig auf. Kultur, Kongreß, Freizeit, Gesundheit und Fitness werden als touristische Trümpfe gehandelt. Präzise Projekte dafür hat das Planungsteam der GmbH schon in der Schublade. Verträumte Wander-, Fahrrad- und Reitrouten, vergnügte Gesellschaften bei der Rheinschiffahrt und kulturbeflissene Pärchen auf der Museumsmeile sollen demnach das neue Bonn-Bild prägen.
Ganze 60 Millionen Mark veranschlagen die zukünftigen Tourismusgesellschafter für das Planpaket. Die Kassen der beteiligten Kommunen werden dabei jedoch dank Bundesbeistand nicht über Gebühr strapaziert. Dieser zweigt mit 30 Millionen Mark die Hälfte der Summe aus Ausgleichsmitteln für den Tourismustopf der GmbH ab.
„Eine Förderung in dieser Höhe ist nur möglich, weil dem Bund mit der GmbH ein einzelner Verhandlungspartner gegenübersteht“, sagt Oberbürgermeisterin Dieckmann. Hätten die Kommunen wie gehabt getrennt die Hände aufgehalten, wären die Ausgleichsgelder wohl spärlicher geflossen.
Überhaupt haben eher die Finanzen und das Image als die Sympathie die Tourismuspartner in den Bund der GmbH getrieben. „Vom Gegeneinander zum Miteinander“, heißt es dazu bauschig in der Tourismusstudie. Soll bedeuten: Traditionell stehen zwischen den Kreisen und Bonn eher Machtkämpfe als Miteinander auf der Tagesordnung. Eine so enge Zusammenarbeit ist ein absolutes Novum.
Neu ist auch das Logo der Tourismus GmbH: Von blaubewölkten Plakaten und Stickern grient ein grimmiger Beethoven... mke
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