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Keine Standards für Arbeiter

Bei der ersten WTO-Ministerkonferenz gingen die ärmsten Länder leer aus. Kritik am Gemauschel der Industriestaaten  ■ Aus Singapur Andreas Zumach

Die 128 Mitgliedstaaten der Welthandelsorganisation (WTO) beendeten ihre erste Ministertagung in Singapur zwar am Freitag mit einer Erklärung zur „Beachtung international anerkannter Arbeitsstandards“. Maßnahmen zur Ahndung von Verstößen gegen diese Standards wurden jedoch ausdrücklich ausgeschlossen. Eine weitere Befassung der WTO mit dem Thema ist nicht vorgesehen.

Dieser Kompromiß, über den bereits kurz nach Verabschiedung ein Interpretationsstreit ausbrach, bleibt weit hinter den ursprünglichen Forderungen der USA, Frankreichs und Norwegens zurück. Sie hatten eine ausdrückliche Verpflichtung auf die Menschenrechte und eine aktive Rolle der WTO bei der Durchsetzung der Standards verlangt. Die anderen Streitpunkte der Ministertagung wurden weitgehend gemäß den Interessen der Quad-Gruppe der nördlichen Industriestaaten (USA, Kanada, Japan und EU- Staaten) entschieden.

Die Minister bekundeten ihre „Übereinstimmung, daß Wettbewerbsvorteile einzelner Staaten, insbesonders der Niedriglohnländer, in keiner Weise in Frage gestellt werden dürfen“. Im übrigen sei die WTO von der Ministerkonferenz „nicht autorisiert worden, sich künftig mit dem Thema [Arbeitsstandards, d. Red.] zu befassen“, meinte der Vorsitzende der Ministerkonferenz, Singapurs Handelsminister Yeo Cheow Tong. Während die US-Handelsbeauftragte Charlene Barshevsky diese Bemerkung als „lediglich persönliche Interpretation des Konferenzvorsitzenden“ zurückwies, bezeichnete der britische Delegationsleiter Ian Lang sie als „repräsentativ für die Meinung einer großen Mehrheit der WTO- Mitglieder“.

Unter Konferenzteilnehmern und -beobachtern überwog der Eindruck, daß die USA ihre Kampagne zu diesem Thema nicht aus echtem Interesse an einer verbesserten Durchsetzung internationaler Arbeitsstandards führten, sondern lediglich aus taktischen Gründen: zur Durchsetzung einer Liberalisierung des weltweiten Markts für Informationstechnologie (Computer, Software, Halbleiter etc.). Auf ein entsprechendes Abkommen, das den vollständigen Abbau aller Zölle bis zum Jahr 2.000 vorsieht, hatten sich die USA und die EU am Donnerstag geeinigt. Neben Kanada und Japan signalisierten bis zum gestrigen Konferenzende nach zunächst erheblichen Widerständen auch Südkorea, Taiwan, Hongkong, Singapur und Indonesien ihre Zustimmung und damit außer Malaysia alle asiatischen Staaten, die für diesen Markt von Bedeutung sind.

Am geschlossenen Widerstand der Quad-Staaten scheiterte das Begehren wichtiger Agrarexporteure wie Australien, Brasilien und Argentinien nach einer Beschleunigung der im Gatt-Abkommen von 1994 vereinbarten Verringerung von Agrarsubventionen; ebenso die Forderung der meisten Länder des Südens nach einem verstärkten Abbau von Handelsschranken in den nördlichen Industriestaaten gegen Textilien und andere Produkte aus dem Süden.

Eine als „Aktionsplan für die am wenigsten entwickelten Länder“ überschriebene Sondererklärung der Konferenz enthält lediglich unverbindliche und wenig konkrete Empfehlungen für Maßnahmen, mit denen den 28 WTO- Mitgliedern unter den insgesamt 47 LDCs der Zugang zu den Märkten der anderen 100 WTO-Staaten erleichtert werden soll.

Ein Bericht der ständigen WTO-Arbeitsgruppe zu „Handel und Umwelt“ wurde in Singapur lediglich zur Kenntnis genommen und der Auftrag an die Arbeitsgruppe ohne nähere Spezifikationen verlängert. Umweltorganisationen und der ehemalige portugiesische Umweltminister Carlos Pimenta hatten den Bericht kritisiert als „Rückschlag“ für das Bemühen, Handelsliberalisierung und ökologische Erfordernisse in Übereinstimmung zu bringen.

„Die Ergebnisse der Ministerkonferenz illustrieren einmal mehr, wie ökologische und soziale Interessen im anhaltenden Globalisierungsprozeß unter die Räder geraten können“, erklärte das Deutsche NGO-Forum „Umwelt und Entwicklung“ in einer Stellungnahme. Neben einer „weiteren Marginalisierung der Entwicklungsländer“ und der „Vernachlässigung des Themas Handel und Umwelt“ moniert das Forum auch den „undurchsichtigen und undemokratischen Verhandlungs- und Entscheidungsprozeß der WTO“. So seien „die meisten Länder des Südens in den realen Verhandlungsprozeß, der nach einem informellen Gruppensystem hinter verschlossenen Türen stattfand, nicht einbezogen sowie im unklaren über die dort jeweils verhandelten Themen gehalten worden“.

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