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Perschaus Old-Boys-Connection

■ Supermarkt zieht aufs Lürssen-Gelände – weil der Wirtschaftssenator alte Bekannte bedenkt?

Vegesack braucht gute Nachrichten – deshalb will Wirtschaftssenator Hartmut Perschau (CDU) am Mittwoch von der Wirtschafts-Deputation die Sanierung des Lürssen-Geländes in Vegesack absegnen lassen: Auf der Werftbrache sollen direkt am Wasser Kneipen, kleinere Geschäfte, ein Kino, eine Disco, Wohnhäuser und ein SB-Warenhaus gebaut werden. 80 Millionen Mark sollen aus dem Investitions-Sonderprogramm in das Projekt fließen. Mit dem Geld soll das Hafenbecken saniert werden. Außerdem ist geplant, die Vegesacker Innenstadt zu verschönern – damit die Geschäfte der Konkurrenz an der Weser das Wasser reichen können. 256 Millionen sind für private Investoren veranschlagt.

Die Supermarkt-Pläne hatten für Aufruhr gesorgt: Die Grünen warnten vor dem „Ausverkauf des Sahnegrundstücks“ (das Gelände gehört zu 51 Prozent dem Land und zu 49 Prozent der Familie Lürssen). Die Kaufleute machten gegen die drohende Konkurrenz am Wasser mobil. Selbst CDU-Fraktionschef Ronald-Mike Neumeyer wurde hellhörig und votierte gegen den Supermarkt.

Daß der Bau des SB-Warenhauses nun doch in greifbare Nähe rückt, verdankt Perschau geschickter Taktik: Mit Hilfe eines Gutachtens hat er die Skeptiker beruhigt. Jetzt versucht er, das Grundstück, das als eines der wertvollsten Ufergrundstücke Brmens gilt, einem alten Bekannten, dem Hamburger Unternehmer Frank Albrecht, zuzuschanzen. Albrecht verfügt noch über andere aufschlußreiche Verbindungen: Gemeinsam mit Justus Frantz engagierte er sich für ein Musikfestival. Es heißt, Perschau kenne Albrecht und Justuz Frantz aus der Zeit, als er noch Bürgermeister von Hamburg werden wollte. Für die Verluste von Justus Frantz arrangierte Perschau im September bekanntlich 175.000 Mark Wirtschaftsfördermittel. Jetzt macht er sich für den Investor Albrecht stark. Zufall?

Perschau riskiert wegen Albrecht jedenfalls einen handfesten Krach mit Friedrich Lürssen. Der will lieber seinen Bekannten, den Investor Scheck ins Boot holen, der am Bau der Zeise-Hallen in Hamburg beteiligt war. Die Entscheidung zwischen beiden Investoren soll diese Woche fallen. Werft-Chef Lürssen hat einen Trumpf in der Hand: Mit dem Marine-Schiffbau soll er ca. 200 der sonst arbeitslosen Vulkanesen übernehmen.

Albrecht, dessen Firma Albrechts-Vermögensverwaltungs-AG (AVW) in Buxtehude sitzt, ist in der Region bekannt. Der Investor hat in Stade und Buxtehude u.a. Hotels, ein Fachmärkte-Zentrum, eine Tiefgarage, und ein Dialyse-Zentrum gebaut. Sein Prinzip: Er kauft die Grundstücke von der Stadt oder bekommt sie in Erbpacht, baut die Gebäude und vermietet sie wieder an die Stadt. Sein Geschäftsgebaren brachte ihn mehr als einmal in die Schlagzeilen. In Buxtehude versuchte er z.B. ohne Ausschreibung den Bauauftrag für eine Dermatologie-Abteilung am Krankenhaus zu bekommen. „Albrecht kämpft mit dem Stil der GSG 9, nur mit friedlicheren Mitteln“, kommentierte das Buxtehuder Tageblatt. Auch die Stader kennen Albrecht: Zur Zeit baut er – gegen den Widerstand der Einzelhändler – an der Bundesstraße B73/74 ein Fachmarkt-Zentrum. Der Investor verfüge über hervorragende Kontakte zur Politik, die er auch zu nutzen wisse, ist die einhellige Meinung einiger Komunnalpolitiker in Stade und Buxtehude. „Es ist auffällig, daß er immer weiß, wo es ein gutes Grundstück zu ergattern gibt und daß er immer als Erster auf der Matte steht“, so ein Stader Politiker.

Auch für die Vegesacker Werftbrache meldete Albrecht früh Interesse an. Als Wendelin Seebacher von der STAVE (die Stadtentwicklung Vegesack verwaltet das Grundstück) die fertigen Pläne im April dem Beirat vorstellte, waren Albrecht und Scheck längst im Gespräch. Die Investoren wittern nicht umsonst in Vegesackt ein gutes Geschäft: Nach Auskunft der Wirtschaftsförderungsgesellschaft (WFG) soll das Grundstück zum Teil an die Investoren verkauft werden. Mit der Drohung, sich aus dem Projekt zurückzuziehen, könnten die Investoren die Grundstückspreise drücken. Albrecht ist für diese Taktik bekannt: In Buxtehude wollte er eine Reha-Klinik im Grünen bauen. Als er bei den Politikern abblitzte, weil sie das Grundstück nicht hergeben wollten, zog er sich zurück.

Perschau wollte von Anfang an „Ruhe in die Angelegenheit bringen“. Deshalb setzten sich die Vertreter des Ressorts, der WfG und der STAVE mit den Kaufleuten an einen Tisch. Die Händler forderten ein Kaufkraft-Gutachten. Sie durften sich den Gutachter sogar aussuchen. Die STAVE zahlte allerdings die Rechnung von rund 30.000 Mark, und das bekamen die Gutachter zu spüren. Im Sommer verärgerten sie die Planer mit den ersten Ergebnissen ihrer Passantenbefragung: Die Leute wollten mehr Freizeitmöglichkeiten, der Wunsch nach neuen Geschäften spielte keine Rolle. Kein gutes Argument für das SB-Warenhaus – doch mit dem Großmarkt „steht und fällt das Projekt“ (Hans-Joachim Torke, Wirtschaftsressort). Wendelin Seebacher (STAVE) übernahm es, den Gutachtern einen unmißverständlichen Brief zu schreiben: „Das Projekt ist in Quantität und Qualität grundsätzlich vordefiniert und deshalb nicht in Frage zu stellen.“

Ob sich die Gutachter beeindrucken ließen, ist schwer zu sagen. Auffällig ist, daß sie trotz Vulkan-Krise eine Kaufkraft von bis zu 484 Millionen im Jahr errechneten. Die Vulkan-Krise schlägt nur mit einem Minus von fünf Millionen zu Buche. In Punkto SB-Warenhaus meinen die Gutachter, daß die „discountorientierten Bereiche“ 2.000 Quadratmeter nicht überschreiten sollten (für das SB-Warenhaus sind 6.500 Quadratmer vorgesehen). Als Sortiment schlagen sie Unterhaltungselektronik und Motorradzubehör vor. Die Gutachter legen den Planern einen Branchenmix ans Herz, der den Geschäften in der Innenstadt das Leben nicht zu schwer macht.

Ein Gutachten, mit dem alle zufrieden sein können: Die Kaufleute haben keine Angst mehr vor der Konkurrenz – außerdem bekommen sie eine schöne Innenstadt. Die Politiker sind beruhigt, daß „diese Sache so gut gelöst worden ist“ (Neumeyer). Jetzt muß nur noch Perschau „seinen“ Investor durchsetzen. Der kann dann machen was er will. Juristisch kann man ihm weder Branchenmix noch ein kleineres SB-Warenhaus vorschreiben. Und nur ein großer Supermarkt läßt Geld in die Kasse fließen und die Rendite in die Höhe schnellen. Doch darüber will Perschau nicht reden – „schon gar nicht mit der taz“. Denn: Vegesack braucht gute Nachrichten. kes

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