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Russischer Umweltschützer ist frei

Der Spionagevorwurf gegen Alexander Nikitin, der Material über die russische Atomflotte und deren Atommüll zusammengestellt hatte, konnte nicht bewiesen werden  ■ Aus St. Petersburg Reinhard Wolff

Der russische Umweltschützer Alexander Nikitin wurde vom Gericht in St. Petersburg am Samstag nach zehn Monaten aus der Untersuchungshaft entlassen. Zwar wird das gegen ihn anhängige Strafverfahren wegen Verdachts der Spionage zu Ende geführt werden, und er darf St. Petersburg vor Abschluß dieses Gerichtsverfahrens auch nicht verlassen. Sein Rechtsanwalt Jurij Schmidt gab aber seiner Zuversicht Ausdruck, daß dieses Verfahren nunmehr schnell eingestellt oder mit einem Freispruch beendet werden würde.

Grund der jetzigen Freilassung sei nämlich die Tatsache, daß Gericht und Staatsanwaltschaft trotz entsprechender Aufforderung vom Geheimdienst FSB kein zusätzliches Material erhalten haben, das Nikitins Schuld beweisen hätte können. Die Staatsanwaltschaft hatte dem FSB, der die Anzeige betrieben und eine umfangreiche Anklage vorgelegt hatte, klargemacht, daß dieses Material den Spionagevorwurf nicht belege. Der Geheimdienst sei aber nicht in der Lage gewesen, Beweise gegen den Umweltschützer vorzulegen.

Alexander Nikitin, ein 44jähriger ehemaliger U-Boot-Offizier der sowjetischen Nordflotte, war am 6. Februar unter dem mit Todesstrafe bedrohten Strafvorwurf der Spionage verhaftet worden, nachdem er im Auftrag der norwegischen Umweltschutzorganisation Bellona Material über die von der atomaren Flotte und deren Atommüll ausgehenden Umweltgefahren zusammengestellt hatte. Er und Bellona hatten immer behauptet, der Spionagevorwurf sei konstruiert und diene nur dazu, die gesamte Umweltschutzbewegung einzuschüchtern, da alles von Nikitin gesammelte Material aus frei zugänglichen, vorher anderweitig veröffentlichten Quellen entnommen worden sei. Rußlands Geheimdienst FSB hatte dagegen behauptet, Nikitin habe aus Gewinnsucht Geheiminformationen illegal beschafft und an Bellona verkauft.

Für die Freilassung Nikitins hatten sich unter anderem das Europaparlament und amnesty international engagiert. Letztere hatte am 30. August Nikitin als ersten politischen Gewissensgefangenen in Rußland seit Auflösung der Sowjetunion „adoptiert“. Nikitin- Rechtsanwalt Schmidt und Bellona-Vorsitzender Fredric Hauge hoben in ersten Reaktionen die Bedeutung der Freilassung für die gesamte weitere Umweltarbeit in Rußland hervor. Mit Nikitins Verhaftung und dem Spionagevorwurf sei versucht worden, „der gesamten Umweltbewegung einen Maulkorb zu verpassen“ (Hauge). Die jetzige Freilassung sei ein Signal, daß niemand in Rußland das Strafgesetz fürchten müsse, nur weil er sich für die Umwelt engagiert.

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