: Grieche kann Laubenpieper werden
■ Bezirksverband der Kleingärtner in Reinickendorf lenkt wegen des öffentlichen Drucks ein und bietet Pachtvertrag an
Der öffentliche Druck hat gewirkt: Der Grieche Georgis Giannakidis kann eine Laube in einer Reinickendorfer Kleingartenkolonie pachten. Das hat der Bezirksverband der Kleingärtner Reinickendorf, Herr über 5.000 Pachtverträge, überraschend am vergangenen Freitag entschieden. Wie berichtet, hatte der Vorsitzende des Verbandes, Werner Wegener, dem Griechen den Pachtvertrag zunächst mit der Begründung verwehrt, mit Ausländern würden solche Verträge nicht abgeschlossen.
Der Justitiar des Verbandes, Bernd Rolf Dräger, erklärte den Sinneswandel gestern gegenüber der taz mit dem Druck der Öffentlichkeit und des Bezirksamtes auf Wegener. Auch die Ausländerbeauftragte des Senats, Barbara John, hatte für den Griechen interveniert.
Der mit einer Deutschen verheiratete Drucker Georgis Giannakidis lebt seit 1968 in Berlin. Anderthalb Jahre hatte er auf eine Parzelle in der Kleingartenkolonie „Cyclop“ gewartet. Am 1. November dieses Jahres bekam er vom Vorstand von „Cyclop“ eine Laube zugewiesen, doch dann kam von oben das Nein. „Wenn Ausländer Pachtrückstände haben und dann zurück nach Hause gehen, sind wir die Dummen“, begründete Verbandschef Wegener damals seine Entscheidung, bevor er auf Tauchstation ging.
Der Fall schlug nicht nur in den Medien hohe Wellen der Empörung. Die Ausländerbeauftragte John verwies den Verein auf das im Maastrichter Vertrag festgelegte Diskriminierungsverbot von EU-Bürgern und stellte ein Ultimatum bis zum 6. Dezember. Doch der Verband ließ den Termin untätig verstreichen. Dazu sagte Verbandsjustitiar Dräger gestern: Nicht Giannakidis' Nationalität sei der Grund gewesen, ihm den Pachtvertrag zu verweigern, sondern daß er nicht auf der Bewerberliste für eine Laube stehe. „Völliger Quatsch!“ erklärte dazu der Kassierer von „Cyclop“.
Der Reinickendorfer Baustadtrat Diethard Rüter (SPD), der die Aufsicht über die Kleingärten führt, hat die Vorstandsmitglieder des Verbandes heute zu sich geladen, um ihnen mit der Kündigung des Generalpachtvertrages für die Reinickendorfer Kleingärten zu drohen. Der Verband lenkte am vergangenen Freitag zwar rechtzeitig vorher ein, aber das ist Rüter nicht genug. „Es scheint, als ob der Vorstand den Konflikt möglichst lautlos aus der Welt schaffen will, aber wir lassen uns nicht an einem Nasenring durch Berlin ziehen“, schimpfte der Baustadtrat. Wenn er bei dem heutigen Termin den Eindruck gewinne, es handele sich nicht nur um einen schlimmen Einzelfall, werde er Maßnahmen ergreifen.
Ein Kleingärtner aus der Kolonie „Cyclop“, der anonym bleiben wollte, erklärte, der Skandal sei nur durch eine Abwahl des langjährigen Vorsitzendenden Wegener zu beheben. Die nächste Delegiertenversammlung der Reinickendorfer Kleingärtner finde aber erst im April 1997 statt. Plutonia Plarre
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