: Jüdische Erben unterliegen, neue Besitzer befriedigt
■ Kein Zwang bei Grundstücksverkauf in Teltow-Seehof, urteilt Gericht
Das Potsdamer Verwaltungsgericht hat jetzt in letzter Instanz die Rückübertragungsansprüche jüdischer Nachfahren auf elf Grundstücke in der Brandenburger Gemeinde Teltow-Seehof zurückgewiesen. Schon Ende März waren diese Ansprüche in erster Instanz abgelehnt worden, so daß es gegen das Urteil keine Revisionsmöglichkeiten mehr gibt. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, daß es sich bei dem Verkauf der Grundstücke 1934 für 2,50 bis 3 Reichsmark pro Quadratmeter nicht um eine Arisierung im Sinne des Nationalsozialismus, sondern um ein normales Grundstücksgeschäft gehandelt habe.
Die Rückübertragungsansprüche stellte der New Yorker Rechtsanwalt Peter Sonnenthal, Haupterbe von Max und Albert Sabersky. Die beiden Brüder hatten Ende des letzten Jahrhunderts einen großen Teil der Grundstücke in Seehof gekauft. In den dreißiger Jahren verkauften die Saberskys die Grundstücke in mehreren Etappen und konnten gerade noch im letzten Moment, am 20. August 1939, Deutschland verlassen.
Für einen Großteil der Teltower ist Sonnenthal ein Spekulant, der ihnen die Grundstücke wegnehmen will. Etwa 150 von ihnen haben sich lose in einer Bürgerinitiative gegen die Rückübertragung organisiert. BI-Sprecherin Traute Herrmann hat in großer Fleißarbeit alte Akten aufgearbeitet, wo die geschäftlichen Transaktionen der Saberskys um die Jahrhundertwende nachgezeichnet werden. „Die Saberskys wollten nie ein Gut betreiben, sondern nur an den Grundstücken am Rande Berlins verdienen“, erklärte sie. Auch der Verkauf dieser Grundstücke habe ihrer Meinung nach nichts mit den Repressalien an jüdischen Menschen in der Nazizeit zu tun. Es sei gerade die BI gewesen, die nachweisen konnte, daß es sich um eine völlig normale geschäftliche Transaktion gehandelt habe. Im übrigen sind die Saberskys völlig legal 1939 nach Paris ausgereist, meint Frau Herrmann. Verfolgung und Ermordung der jüdischen Bevölkerung während der Nazizeit werden von ihr im Gespräch überhaupt nicht erwähnt, als wären die Saberskys davon nicht betroffen gewesen. Daß aber ein Familienmitglied der Saberskys bis 1945 in Deutschland leben konnte, vergißt sie nicht zu erwähnen.
Allerdings ist Traute Herrmann der Meinung, daß nach dem Gerichtsurteil eine „noble Geste“ gegenüber den jüdischen Nachfahren möglich wäre. Es geht um den Vergleichsvorschlag, den das Gericht in Absprache mit den Sabersky- Erben den jetzigen Grundstücksbesitzern angeboten hatte. Danach sollten sie den symbolischen Preis von fünf Mark pro Quadratmeter an die Erben zahlen, die dann im Gegenzug auf eine weitere juristische Verfolgung ihrer Ansprüche verzichten würden. Einige Besitzer nahmen das Angebot an. Um endlich ihre Ruhe zu haben, wie sie betonen. Doch ebenso vehement wiesen andere BewohnerInnen das Angebot zurück: „Der Sabersky hat 1936 kassiert. Wir haben unser Grundstück 1965 gekauft, und jetzt soll ich mich freikaufen“, empört sich ein Teltower in einem Rundfunkinterview. Er wolle lieber durch alle Instanzen gehen, als sich darauf einzulassen. Auch dafür hat Frau Herrmann Verständnis. „Die haben uns solange gepiesackt, jetzt bestehen wir auf unserem Recht.“ Allerdings ist die Angelegenheit auch juristisch noch lange nicht vom Tisch. Der Anwalt der Sabersky-Erben will jetzt vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das Urteil vorgehen. Außerdem steht eine gerichtliche Entscheidung über 74 weitere Grundstücke noch aus, die die Saberskys erst nach 1934 verkauft hatten. Jede geschäftliche Transaktion müsse gesondert beurteilt werden, meint das Gericht. Auch wenn der Richter ausdrücklich betonte, daß es sich um kein Piloturteil für sämtliche Grundstücke handelt, ist Traute Herrmann optimistisch: „Das Urteil hat doch Signalwirkung. Das Gericht kann nicht sagen, bis 1935 war der Verkauf rechtmäßig und danach nicht mehr.“ Peter Nowak
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