Ein bißchen Wärme

Erfolg für „S-Presso“: Kunden sind mit dem S-Bahn-Bistro zufrieden, und Arbeitslose haben Job gefunden. Über Weiterführung noch nicht entschieden  ■ Von Kirsten Niemann

„Die Leute freuen sich immer schon, wenn sie uns sehen“, sagt die Frau in der knallroten Schimanski-Jacke. Dann senkt sie plötzlich vertraulich die Stimme: „Wir haben sogar schon einer jungen Frau das Leben gerettet.“ Ihr Begleiter, ein Mann, der einen mit Kaffee, Cola und frisch belegten Baguettes vollgepackten Bistrowagen vor sich herschiebt, kann da nur beipflichten: „Wir machen unsere Arbeit so richtig gerne. Schreiben Se das.“

Seit Anfang März gehört das rotbefrackte Personal mit Funktelefon und Kaffeewagen zum festen Inventar der S-Bahn-Linie 7 (Potsdam–Ahrensfelde). „S-Presso“ heißt das in Deutschland bislang einmalige Serviceprojekt in der S-Bahn, das vom Verein für integrative therapeutische Maßnahmen (Vita e.V.) ins Leben gerufen wurde.

Knapp 200 Langzeitarbeitslose aus allen möglichen beruflichen Bereichen wurden nun dazu auserkoren, die Passagiere zu informieren, zu betreuen und zu absoluten Tiefstpreisen mit heißen Getränken und Brötchen zu versorgen oder auch notfalls mal bei einem Gepäckstück mit anzufassen. Von 7 Uhr in der Früh bis 22 Uhr am Abend gibt es diesen Begleitservice. Tagsüber bummeln sie, um möglichst viele Kunden an den Service anzubinden, von einem S-Bahn-Abteil ins nächste. Ab 18 Uhr ist die Begleitcrew immer im selben Waggon zu finden: in dem dritten von vorne.

Ob sich dieser Service auch im kommenden Jahr noch halten oder, wie ursprünglich geplant, sogar auf andere Linien ausbreiten kann, ist derzeit noch fraglich. Zum Februar laufen die Verträge mit dem Bundesamt für Arbeit, dem momentanen Finanzier des Projekts, aus. Im Moment stehe man zwar in Verhandlungen mit drei potentiellen Trägern der Aktion, eine endgültige Entscheidung sei zur Zeit jedoch noch nicht möglich, meint Vita-Mitarbeiter und stellvertretender Projektleiter von S-Presso, Hartwig Schultz.

An einer mangelnden Akzeptanz von seiten der Passagiere dürfte eine Fortsetzung dieses Services wohl kaum scheitern. „Wir haben enorm viel positive Resonanz auf diese Aktion erfahren“, berichtet Ingo Priegnitz, Pressesprecher der S-Bahn Berlin GmbH. Und natürlich sei die S-Bahn-Leitung daran interessiert, daß der „S-Presso“-Service auch weiterhin finanziert würde, meint Priegnitz. Nicht zuletzt wegen des großen Sicherheitsbedürfnises der Fahrgäste, denn „allein die Anwesenheit des Begleitpersonals vermittelt Sicherheit“.

Nicht nur in Sachen Sicherheit gibt es bei der S-Bahn offensichtlich Handlungsbedarf. „Einem unserer Geschäftsführer ist bei einer Fahrt nach Potsdam nämlich aufgefallen, was für eine traurige Stimmung in der S-Bahn herrscht“, erzählt Schultz, wie es zur Idee des Betreuerservices kam: „Wir fanden, ein bißchen mehr Service und Menschlichkeit hätte die Bahn dringend nötig.“ Dabei seien seine Leute keine einfachen Snackverkäufer. Damit sich auch wirklich jeder einen Kaffee kaufen kann, gehe der quasi zum Einkaufspreis von 1,40 Mark an die Fahrgäste. „Der Getränkeservice ist ohnehin nur ein kleiner Teil unserer Dienstleistung“, erklärt Schultz. Bei der Aktion gehe es vor allem um Menschlichkeit, Hilfsbereitschaft und ein klein wenig Sicherheit. „Wir wollen erreichen, daß die Leute gerne in die S-Bahn steigen. Somit können wir das Image des Personennahverkehrs verbessern.“

Das Spannende an seinem Projekt sei, zu beobachten, wie die Langzeitarbeitslosen schließlich mit kommunikativen Kompetenzen versehen werden, meint Schultz. Sie lernen nicht nur, sich durchzusetzen, sondern auch auf die Menschen zuzugehen und eine vertrauenswürdige Atmosphäre zu vermitteln, ohne dabei aufdringlich zu wirken. Ein eigens ausgebildetes Motivationsteam habe die Leute am Anfang begleitet. „Die Leute verdienen meinen ganzen Respekt“, versichert Schultz, „denn ich halte es für eine ziemlich anspruchsvolle Tätigkeit, gerade dem meistens doch eher muffeligen und unfreundlichen Berliner Publikum entgegenzutreten.“

Der Zugbegleiter in der roten Jacke hat diese Phase der eigenen Unsicherheit längst hinter sich. Er freut sich über seine Stammkunden. Am Anfang sei er sich schon ein bißchen bekloppt vorgekommen, erzählt der etwa 50jährige Mann. Doch die Fahrgäste fanden es bestimmt genauso komisch, in der S-Bahn eine rollende Caféteria anzutreffen. „Ich war zwei Jahre arbeitslos, das war schlimm. Diese Arbeit macht mir sogar wirklich Spaß.“ Grinsend hält er mir ein neues Produkt unter die Nase. „Kennen Sie das schon?“ „Dr. Mottes Licht und Liebe“ heißt ein neuartiges Getränk vom Love-Parade-Initiator höchstpersönlich.