: Eine weihnachtsgeschenkwürdige Bibel
■ So schön, daß man vor dem Buch niederknien möchte: Die „FIFA Museum Collection“ verdient trotz der Geleitworte von Havelange und Blatter einen anständigen Regalplatz
Man kann es niemandem verübeln, wenn er sich weigert, in einem Buch zu blättern, für das die Herren Jao Havelange und Joseph S. Blatter jeweils ein Geleitwort verfaßt haben. Und obwohl die Funktionäre alle in sie gesetzten Erwartungen erfüllten, ist zumindest allen historisch halbwegs interessierten Fußballfans dringend angeraten, beim kommentierten Bildband „FIFA Museum Collection. 1.000 Jahre Fußball“ ihren Widerwillen zu ignorieren. Havelange und Blatter können diesem Buch nichts anhaben, es ist, um mal ein bißchen pathetisch zu werden, wirklich so schön, daß man vor ihm niederknien möchte.
Die „Museum Collection“ ist gewissermaßen ein Katalog zu einer Ausstellung, die man, zumindest noch, nicht sehen kann. Die hier abgebildeten Objekte, überwiegend im 19. Jahrhundert sowie zwiwschen 1900 und 1920 entstanden, lassen sich in drei Kategorien einteilen. Man findet hier, erstens, künstlerische Arbeiten zum Thema Fußball, zum Beispiel naive Gemälde, Kupferstiche, Aquarelle und Zeichnungen, die unter anderem Vorformen des heutigen Spiels dokumentieren, wie Geländefußball oder „Fußball gegen die Mauer“. Zweitens sind hier Trikots, Bälle und Buffer aus der Anfangszeit des Ligabetriebs zu sehen und drittens allerhand Devotionalien mit Fußballmotiven: Messingtischuhren, Sparbüchsen, Kinderrasseln.
Nur was für Nostalgiker? Unfug! Nostalgische Gefühle können sich ja nur einstellen, wenn man die Zeiten, für welche die hier gesammelten Objekte stehen, miterlebt hat. Überhaupt weckt die „FIFA Museum Collection“ nicht bloß Emotionen, sie ist auch lehrreich, unter anderem, weil sich mit ihrer Hilfe die Ursprünge der heute viel bejammerten Kommerzialisierung rekonstruieren lassen. Bereits kurz vor der Jahrhundertwende konnte man Pakete mit Sammelkarten kaufen, die auf der einen Seite ein Vereinsmotiv und auf der anderen Werbung zeigten. Sie werden hier als „das erste gelungene kommerzielle Projekt in Verbindung mit einem populären Massenspiel“ bezeichnet. Und bereits 1896 erschien anläßlich des FA-Cup-Sieges von Sheffield Wednesday ein Krug mit dem Porträt des Teams. Manche Produkte würde man heute kaum noch herstellen: Ein Taschenmesser mit einem Kicker des FC Sunderland drauf, Ende des 19. Jahrhunderts entstanden, riefe garantiert die Kritik hervor, daß es Fans auf nicht so sportliche Gedanken bringen könnte.
Darüber hinaus lassen sich in diesem Band aufschlußreiche Anekdoten nachlesen, zum Beispiel die, daß 1927 beim englischen Pokalfinale zwischen Arsenal und Cardiff City alle Spieler unter den Zuschauern waren, die mit ihren Teams seit 1893 den Cup gewonnen hatten. Heute haben ehemalige Cup-Sieger Besseres zu tun.
Allenfalls zwei Dinge gibt es an der „FIFA Museum Collection“ auszusetzen: Der Untertitel „1.000 Jahre Fußball“ ist nicht nachzuvollziehen, zumal hier bereits zu Beginn darauf hingewiesen wird, daß man in China bereits vor mehr als 3.000 Jahren Spiele kannte, die mit dem heutigen Fußball verwandt sind. Außerdem fehlen in den Legenden zu den Kunstwerken unverständlicherweise Angaben zu den Größen der Originale. Nichtsdestotrotz hat diese im übrigen weihnachtsgeschenkwürdige Bibel im Regal einen Platz neben „Geheimnis Fußball“ verdient, jenem Buch, mit dem Christoph Bausenwein im vergangenen Jahr die Genealogie des Spiels nachgezeichnet hat. René Martens
„FIFA Museum Collection. 1.000 Jahre Fußball“. edition q, 300 Seiten, 49,90 DM
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