: Soviel PDS wie zum Regieren nötig
Die SPD ändert in den ostdeutschen Bundesländern ihre Haltung zur PDS: Keine strikte Abgrenzung mehr, sondern flexible Kooperation, sofern es der Partei an die Regierung hilft ■ Aus Berlin Dieter Rulff
Als die Mitbegründerin der Ost- SPD, Angelika Barbe, am Dienstag der SPD eine „angestrebte Zusammenarbeit mit der PDS“ vorwarf und damit ihren Parteiaustritt begründete, konnte sie nicht ahnen, daß dieses Streben schon ganz konkrete Formen angenommen hat. Am Wochenende haben sich führende Sozialdemokraten der ostdeutschen Länder getroffen, um die Position der Partei zur ungeliebten postsozialistischen Konkurrenz neu zu bestimmen. Die Runde, an der fast alle Landesvorsitzenden sowie der brandenburgische Ministerpräsident Manfred Stolpe und der stellvertretende Bundesvorsitzende Wolfgang Thierse teilnahmen, verständigte sich darauf, „in Ostdeutschland einer Zusammenarbeit mit der PDS nicht auszuweichen, wenn und insofern sie damit den politischen Auftrag ihrer Wählerinnen und Wähler erfüllt“.
In einer „nüchternen Betrachtung der strategischen Ausgangslage für die SPD in den Wahljahren 1998/99“ kommen die Spitzensozis zu der Einschätzung, daß der SPD „eine offene, gar koalitionsbereite Haltung gegenüber der PDS im Osten möglicherweise nützen könnte (...) im Westen dagegen überwiegend schaden würde“. Aus diesem Dilemma, so hat die Runde in einem zehn Punkte umfassenden Thesenpapier zum „Umgang mit der PDS“ festgehalten, gebe es keinen einfachen Ausweg, sondern „nur größtmögliche Schadensbegrenzung“.
Gestern war man allerdings erst einmal bemüht, den vermeintlichen Schaden des Papiers zu begrenzen. Aus dem Umfeld der Runde hieß es, es handele sich um einen vorläufigen Diskussionsstand, der nicht die Position aller Teilnehmer der Runde widerspiegele. Diese Vorsicht hat ihren Grund. Denn ein fast identischer Kreis von Spitzensozis hat schon einmal ein Thesenpapier zur PDS verfaßt. Im August 1994 trat sie unter der Führung des damaligen Kanzlerkandidaten Rudolf Scharping mit der „Dresdner Erklärung“ an die Öffentlichkeit. Darin steht kurz und bündig: Die PDS ist ein politischer Gegner der SPD. „Eine Zusammenarbeit mit ihr kommt für uns nicht in Frage.“ Die SPD reagierte damit auf die Rote- Socken-Kampagne der CDU. Deren Generalsekretär Peter Hintze hat bereits angekündigt, daß er die PDS-Frage 1998 erneut zum Wahlkampfthema machen will. Die SPD will diese Debatte vermeiden. Beim SPD-Parteivorstand hieß es gestern, die Dresdner Beschlußlage gelte nach wie vor. Fragt sich nur, wie lange noch.
In ihrem Thesenpapier attestieren die Ost-SPDler der PDS, „eine Partei im Wandel und voller Widersprüche“ zu sein. Daraus ergebe sich, „daß es für die SPD möglich ist und sein muß, je nach Konstellation zu unterschiedlichen Handlungsoptionen zu kommen, deren Ziel klar sein muß: Wir wollen für die SPD Regierungsmacht erkämpfen.“
Zwar gebe es „keine Zusammenarbeit mit der PDS zur Ablösung der jetzigen Bundesregierung“, doch in den ostdeutschen Kommunen und Ländern sei die Situation anders. „Öffentliche Plädoyers für oder gegen unterschiedliche Formen der Zusammenarbeit mit der PDS (Absprachen, Tolerierung, Koalitionen)“ sollen erst dann erfolgen, wenn ein Wahlergebnis ein konkretes Verhalten der SPD erforderlich mache.
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