: Lebenslänglich für Carsten Wolf
■ Er habe Frau und Kinder umgebracht / Genauer Tathergang weiter unklar
Carsten Wolf ist gestern vom Landgericht wegen dreifachen Totschlags in besonders schwerem Fall zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Das Gericht hält es für erwiesen, daß der 32jährige Fuhrunternehmer im November des vergangenen Jahres seine Ehefrau Silke (28) und seine beiden Kinder Fabian (4) und Jana (drei Monate) umgebracht hat. Mit dem Urteil folgte die Zweite Große Strafkammer dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Die Verteidigung hatte auf Freispruch plädiert – aus Mangel an Beweisen.
Den konnte das Gericht nach 22 Verhandlungstagen, 56 Zeugenvernehmungen und vier Sachverständigengutachten allerdings nicht feststellen. „Wir sind davon überzeugt, daß Sie ihre Frau und ihre beiden Kinder getötet haben“, sagte die Vorsitzende Richterin zu Wolf und sah dem Angeklagten ins Gesicht. Wolf schluckte. Einen Moment lang schien es, als würde er die Fassung verlieren. Sekunden später hatte er sich wieder gefangen und folgte der Urteilsbegründung mit versteinerter Miene.
Wolf hatte während des gesamten Prozesses geschwiegen. „Das ist Ihr gutes Recht“, wandte sich die Vorsitzende Richterin an Wolf. „Sie haben den Angehörigen von Silke Wolf und Ihren eigenen Angehörigen damit aber die Möglichkeit genommen, die Geschehnisse besser zu verstehen.“
Die Aussageverweigerung Wolfs hatte auch die Urteilsfindung erschwert. So konnte beispielsweise nicht geklärt werden, ob er seine Familie heimtückisch (z.B. im Schlaf) getötet hat. Heimtücke wäre eine Voraussetzung für die Verurteilung wegen Mordes gewesen. „Wir wissen nicht, was genau in der Tatnacht passiert ist. Wir wissen nicht, ob die Opfer arg- und wehrlos waren“, begründete die Richterin die Entscheidung. Auch niedrige Beweggründe, die ebenfalls eine Verurteilung wegen Mordes gerechtfertigt hätten, konnte das Gericht nicht erkennen. Zwar geht das Gericht davon aus, daß Wolf seine Familie getötet hat, weil er ein neues Leben mit einer Prostituierten beginnen wollte. Es wertete die Persönlichkeitsstörung des Angeklagten allerdings zu seinen Gunsten.
Wolf hatte ein Doppelleben geführt. Der als braver Familienvater geltende Mann hatte seit Sommer 95 häufig Kontakt zu Prostituierten. Über sich selbst erfand er die abenteuerlichsten Geschichten: Er sei weltreisender Geschäftsmann, Fallschirmspringer im Bosnien-Einsatz und Kampfmönch eines Japanischen Ordens, erzählte er den Prostituierten. Gegenüber einem Kollegen prahlte er mit seinen (erfundenen) Schlittenhunden, seine Familie überraschte er mit der unwahren Nachricht, er hätte ein berufliches Angebot aus der Schweiz. Das Gericht erkannte darin – wie die Gutachter – Persönlichkeitsstörungen und nahm deshalb keine niedrigen Beweggründe an. Wolf sei allerdings sehr wohl in der Lage gewesen, beide „Welten“ voneinander zu trennen, so die Richterin. Seine Persönlichkeitsstörung sei nicht so gravierend, daß sie strafmildernd gewertet werden könne.
Gleichwohl ging das Gericht davon aus, daß Wolf die Tat geplant habe. Schließlich habe er einer Prostituierten erzählt, daß die Familie seines Bruders verschwunden sei und man zwei verkohlte Leichen im Wald bei Zeven gefunden habe. Spaziergänger entdeckten tatsächlich wenige Tage später die verbrannte Leiche von Silke Wolf in einem Waldstück bei Zeven.
Daß sie vor ihrem Tod ihre Kinder getötet haben könnte, glaubte das Gericht nicht. Wolf hatte den Gutachtern erzählt, seine Frau hätte Jana und Fabian getötet. Er habe sie deshalb weggestoßen. Sie sei mit dem Kopf gegen die Heizung geschlagen und kurz darauf an ihren Verletzungen gestorben. Einen Schädelbruch hatten die Gerichtsmediziner bei der Leiche von Silke Wolf allerdings nicht feststellen können. Außerdem hatte selbst die Familie von Carsten Wolf die 28jährige als liebevolle Mutter geschildert. „Es gibt nicht den geringsten Anlaß zu glauben, daß Ihre Ehefrau die Kinder getötet hat.“
Nach der Urteilsverkündung drehte sich Wolf sofort zu seinem Verteidiger um – offenbar um sich mit ihm zu beraten. Kurz darauf verließ Wolf den Gerichtssaal – in Handschellen und mit gesenktem Blick. Ob er Revision einlegen will, dazu wollte sich sein Anwalt nicht äußern. kes
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