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Lehrer und Schüler gemeinsam gegen Abschiebung

■ GEW: Kriegsflüchtlinge sollen wenigstens hier Schulabschluß machen dürfen

Bei Lehrern und Mitschülern formiert sich langsam der Widerstand gegen die Abschiebung von Schülern in das ehemalige Jugoslawien. Vierzig Lehrer des Oberstufenzentrums (OSZ) Verkehr, Wohnungswirtschaft und Steuern haben jetzt einen Protestbrief an Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) verfaßt. „Er soll die Ausreiseverfügungen zurückstellen, die an drei Schülerinnen geschickt wurden“, fordert Mitinitiator Hans-Joachim Hartwig, der am Oberstufenzentrum unterrichtet. Die Schüler des Oberstufenzentrums sammelten Unterschriften, um dieses Anliegen zu unterstützen.

„Die Aktion wird kein Einzelfall bleiben“, erklärt Sanem Kleff von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Die Gewerkschaft plane, im Januar eine Informationskampagne für Lehrer und Mitschüler der betroffenen Jugendlichen zu beginnen.

In Berlin gibt es nach Angaben der Gewerkschafterin rund 6.000 Schüler, die aus dem ehemaligen Jugoslawien nach Deutschland geflohen sind. Es sei nicht human, sie gegen ihren Willen in die Heimat abzuschieben, meint Sanem Kleff: „Diese Kinder haben bereits Jahre ihres Lebens durch den Krieg und die Flucht nach Deutschland verloren. Man soll ihnen wenigstens die Chance geben, hier einen Schulabschluß zu machen.“

Für die 17jährige Hasrete aus dem Kosovo, Schülerin im OSZ, war der Brief mit der Aufforderung zur Ausreise „ein Schock“, wie sie sagt. Auf der Ausländerbehörde habe man ihr sogar den Paß abgenommen. „Ich kann gar nicht beschreiben, wie schlecht ich mich da gefühlt habe“, erzählt sie empört. Nach dem ersten Schreck habe sie dann jedoch wieder Mut gefaßt und einen Anwalt eingeschaltet.

„So eine besonnene Reaktion ist leider nicht die Regel“, sagt Kleff. Die Schüler hätten in der Vergangenheit in ihrer Heimat so traumatische Erfahrungen gemacht, daß viele von ihnen aus Angst vor dem Gefängnis sofort abreisen würden. Sanem Kleff sieht hinter dem Druck auf die SchülerInnen eine Strategie der Verwaltung: „Man will durch Psychodruck die Leute zur schnellen Ausreise bewegen.“

Laut Senesa Krestel vom Verein Südosteuropa Kultur e.V. besitzt die Ausländerbehörde eigentlich keine rechtliche Grundlage, Schüler zum Verlassen Deutschlands aufzufordern. Der Verein berät unter anderem Schüler, die eine Ausreiseverfügung erhalten haben, und vermittelt Kontakte zu einem Rechtsanwalt. Etwa dreißig Schüler haben bereits diese Hilfe in Anspruch genommen.

„Wir halten uns an die rechtlichen Bestimmungen“, erklärt dagegen Thomas Raabe, Sprecher des Innensenators. Das Ausländergesetz erlaube es etwa, die Pässe der Schülerinnen abzunehmen. „Wir machen das, weil manche ihre Pässe wegwerfen, um die Abschiebung zu verzögern.“ Der Pressesprecher betont, die Rückkehrabkommen mit den Staaten des ehemaligen Jugoslawien müßten nun erfüllt werden. Lediglich Kinder aus Bosnien könnten unter bestimmten Bedingungen ihre Schulausbildung abschließen. Bei anderen dagegen sei die Duldung abgelaufen. Die Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien sind für Raabe „Gäste, die sich in unserem Lande aufhalten“. Sie hätten keinen Rechtsstatus. „Das vergessen aber anscheinend einige von ihnen.“ Christoph Schäfer

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