■ Mit kontrollierten Prüfern auf du und du
: Fremde Proben

Berlin (taz) – Wenn Stahlteile für den wichtigsten Sicherheitsbehälter eines Atomkraftwerks gegossen und geformt werden, nimmt ein Prüfer Proben. So auch im Herbst 1972 bei Breda in Mailand geschehen. Diese Firma, damals hauptsächlich ein Lokomotivenbauer, war einer der Lieferanten für das neue Atomflaggschiff der AEG- Kraftwerkssparte, das 1.300-Megawatt-AKW in Krümmel. Zum Testen der Qualität des verwendeten Stahls werden stiftförmige Proben abgesägt und mit sogenannten Kerbschlägen traktiert: Grob gesagt, werden die Stahlstifte in einen Schraubstock gespannt und mit einem Hammer bearbeitet. Die Schlagkraft des Hammers wird erhöht, bis der Stift bricht. So wird die Zähigkeit des Stahls gemessen.

Die damaligen Tests brachten offenbar verheerende Ergebnisse. Ein Mann vom TÜV wurde mit Proben danach eigens nach Frankfurt zur AEG und nach Stuttgart zur staatlichen Materialprüfungsanstalt geschickt für Nachuntersuchungen. Diese Teststifte sind laut Robin Wood nie wieder aufgetaucht, weder in Frankfurt noch in Stuttgart. Dadurch waren es aber nicht mehr soviel Materialproben wie für die Genehmigung vorgeschrieben.

Doch das war bei der damaligen Atomeuphorie der zuständigen Kreise kein Problem. Die Prüfer und auch die Genehmigungsbehörde fanden einen Ausweg. Sie zählte einfach Proben des Kernkraftwerks Isar dazu. Der Reaktordruckbehälter stammte vom gleichen Hersteller, aber natürlich nicht von der gleichen Marge Stahl. Die Prüfergebnisse von Isar waren denn auch ausreichend.

Nicht nur beim AKW Krümmel lief damals nicht alles so, wie es den Buchstaben der betreffenden Verordnungen entspricht. Doch dieses Kraftwerk elbaufwärts von Hamburg ist besonders umstritten: Zehn Kinder und ein Jugendlicher sind in wenigen Kilometern Umkreis um den Reaktor an Leukämie erkrankt. Allein vier neue Fälle kamen in den letzten zwei Jahren hinzu. Drei Kinder sind schon an Blutkrebs gestorben. Die Anwohner sind der Meinung, nur ein Störfall im AKW kann diese einmalige Ballung von Leukämie unter jungen Menschen ausgelöst haben. Diese Ansicht wird von verschiedenen Gutachten unterstützt. Das heißt aber noch lange nicht, daß das AKW laut Atomgesetz ausgeknipst wird.

Rechtlich ist das AKW angesichts der in letzter Zeit aufgetauchten Indizien (siehe Artikel links) eher über Mängel bei der Genehmigung als über vermutete Störfälle beim Betrieb zu packen. Erbaut wurde Krümmel von 1972 bis 1984 durch die Kraftwerksunion (KWU) und kostete etwa 3,5 Milliarden Mark. Es ist bis heute der größte Siedewasserreaktor Deutschlands. Die KWU war damals ein Gemeinschaftsunternehmen von Siemens und AEG. Die Federführung für Krümmel lag allerdings bei der AEG. rem