: Schiffchen für die großen Jungs
■ Schiffs- und Hafenmodelle aus den dreißiger Jahren im Museum für Hamburgische Geschichte
Ein Überseefahrgastdampfer kostet soviel wie ein Kinderkleid, ein Küstenfrachtdampfer mit zwei Reichsmark entspricht einem Zentner Steinkohle frei Haus. Qualitätsspielzeug hatte schon 1933 seinen Preis. Und die Schiffsmodelle der Hamburger Firma von Edmund Köster hatten einen guten Ruf.
„Eines Tages traf bei der Schriftleitung eine Sendung zur Ansicht ein. Sie wurde ausgepackt, und es stellte sich heraus, daß sie ganz entzückende Modelle von Schiffen, Fahrwasserbezeichnungen, Hafenanlagen usw. enthielt. Kurz: Alles, was uns alte Seeleute – Jungens, die wir geblieben sind – geradezu zum Aufbauen und Spielen auffordert“ – so die „Deutsche Marine-Zeitung“ vom 1. Dezember 1933. Diesen Modellen widmet das Museum für Hamburgische Geschichte die Sonderausstellung Die ganze Schiffahrt im Kleinen.
Edmund Köster, vor hundert Jahren in Marne in Dithmarschen geboren, war Bastler aus Leidenschaft. Begonnen hatte der gelernte Buchhändler mit einem Bauernhof für seine Söhne, dann verlegte er sich auf Schiffe und machte sich 1927 als Modellbauer selbständig. Bald schon ließen Reedereien von ihm ihre neuen Dampfer im Maßstab 1:250 originalgetreu nachformen.
Für das gemeine Publikum wurden etwas kleinere, in 1:400 typisierte, nicht schwimmfähige „Wasserlinienmodelle“ mit flachem Boden angeboten. Die Holzmodelle hatten aus perspektivischen Gründen einen relativ zu großen Rumpf, auch waren die kleineren Barkassen und Hafenschiffe im Maßstab etwas größer, um ein angenehmes Gesamtbild von Zusammenstellungen der über hundert Fahrzeuge und Kaianlagen zu ermöglichen.
Nicht nur Kinder und seebegeisterte Sammler hatten Köster-Modelle: Im Reichs-Oberseeamt wurden Havarien mit Köster-Modellen nachgestellt und noch bis in die achtziger Jahre nahm das Hamburger Oberhafenamt Prüfungen mit Köster-Modellen ab.
Die Militarisierung der Gesellschaft ging auch an der inzwischen auf 22 Angestellte angewachsenen Modell-Fabrik nicht vorbei: Ab 1936 bot Köster auch Kriegsschiffe an. „Die Modelle der Kriegsmarine sind zur Typenkunde in vielen Schulstätten der Kriegsmarine, Marine-SA und der Marine-HJ in Gebrauch“, heißt es werbend in der letzten der handgemachten Preislisten.
Bald war der Krieg kein Spiel mehr. Die Werkstatt wurde im Juli 1943 bei einem Luftangriff zerstört, und Edmund Köster starb als Luftwaffen-Pionier im gleichen Monat bei Kämpfen in Sizilien, 16 Monate nachdem sein ältester Sohn in Rußland umgekommen war.
In einem Geschichtsmuseum können Schiffsmodelle nicht alleiniges Objekt sein: Die Ausstellung bietet auch einen Blick auf die 30er Jahre in Hamburg. Wirtschaftszahlen, Versammlungsfotos und Musikzitate, Berichte von Sammlern und Zeitzeugen im Video und ein farbiger Hafenfilm mit fröhlich flatternden Hakenkreuzfahnen ergänzen die erhaltenen Modellschiffe und aufgebauten Anlagen.
Anders als bei den ebenfalls aus dieser Zeit stammenden Wiking-Modellen bedeutete die strikt eingehaltene Handarbeit eine relativ geringe Auflage der Schiffe, Seezeichen und Hafenanlagen. Dazu verbrannten im Krieg viele der Dioramen und Großmodelle, wie das 75 Quadratmeter große Gesamthafenmodell für die Hamburger Behörde für Handel, Schiffahrt und Gewerbe von 1936/1937.
Im Museum erhalten ist das Großmodell „Hamburg um 1644“: Das ebenfalls 1936 erstellte, 25 Quadratmeter große Modell der Fischereihäfen von Wesermünde/Geestemünde, dem heutigen Bremerhaven, wurde jüngst restauriert und für die Ausstellung ausgeliehen.
Die Seefahrtsbegeisterung, die hinter der ganzen Ausstellung sichtbar wird, ist nur sechzig Jahre alt. Und ist doch seltsam fern in Zeiten, in denen digitale Simulation realräumliche Modellbildung ersetzt und die wirklichen Werften und Fischereianlagen eine nach der anderen schließen.
Hajo Schiff
„Die ganze Schiffahrt im Kleinen“, Museum für Hamburgische Geschichte, Holstenwall 24, bis 23. Februar
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