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Wodka für die Renten

■ Jelzin ordnet die Wiederherstellung des staatlichen Alkoholmonopols an

Moskau (dpa) – Der russische Präsident Boris Jelzin ging nach seiner Rückkehr in den Kreml gleich in die vollen: Gestern ordnete er die Wiederherstellung des staatlichen Alkoholmonopols an, um damit das defizitäre Rentensystem zu finanzieren. Zugleich verfügte er auf einer Sitzung der Sonderkommission zur Haushalts- und Steuerdisziplin die vollständige Nachzahlung der Renten bis zum 1. Juli. Der von der schweren Herzoperation genesene Staatschef geißelte die Verschwendung staatlicher Gelder und Gesetzlosigkeit in Rußland.

Die Wiederherstellung des Alkoholmonopols bedeutet nach Worten des Leiters der Präsidentenadministration, Anatoli Tschubais, nicht, daß alle Alkoholfabriken wieder verstaatlicht würden. Der Staat werde künftig die Vergabe von Brennlizenzen und den Import besonders aus Weißrußland streng kontrollieren sowie die Produktion in den rund 800 russischen Alkoholfabriken direkt überwachen. Jelzin habe bei der Sitzung einen „äußerst harten“ Ton angeschlagen und die Lage als „katastrophal“ bezeichnet, sagte Tschubais.

Monatlich würden auf dem Alkoholmarkt zwei Billionen Rubel (571 Millionen Mark) am Staat vorbeigeschleust. Die Gesamtverluste entsprächen dem Volumen des Rentendefizits, das im Dezember 17,5 Billionen Rubel (fünf Milliarden Mark) betrage habe. Der Anteil der Haushaltseinnahmen aus Zöllen und Steuern auf Alkohol ist in den vergangenen Jahren stetig gesunken, die illegalen Alkoholimporte dagegen stark gestiegen.

Zur Überwindung der Rentenkrise kündigte Jelzin erhöhten Druck auf die Unternehmen an, die ihre Beiträge in den Rentenfonds nicht zahlten. Jelzin wies die Regierung an, binnen eines Monats einen Plan zur Modernisierung des nach seinen Worten „hoffnungslos veralteten“ Rentenfonds auszuarbeiten. In seiner ersten Rundfunkansprache nach seiner Rückkehr in den Kreml hatte Jelzin am Mittwoch scharfe Maßnahmen zur Wiederherstellung der Ordnung und Steuereintreibung angekündigt. Er hatte zu Beginn der Woche, rund sieben Wochen nach der Bypassoperation, seine Amtsgeschäfte offiziell wieder aufgenommen.

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