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Entlastete Mitläufer

■ Dokumentation am Rande des Polizeiskandals

Ganz normale schwarze Schafe? Anläßlich des Hamburger Polizeiskandals fragte Eberhard Zamory 1995 nach dem Zusammenhang zwischen der Einstellung von Nationalsozialisten in den Polizeidienst nach 1945 und den Menschenrechtsverletzungen durch Hamburger Beamte in den vergangenen Jahren.

Zamorys Briefwechsel mit der Innenbehörde und weitere Dokumente zum Umgang der Polizeiführung mit der Vergangenheit hat die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) nun veröffentlicht.

Eine Liste mit 19 Nationalsozialisten, vermutlich SS-Offizieren, die nach 1945 als Polizeibeamte eingestellt worden waren, schickte Zamory schon 1989 an den damaligen Innensenator Werner Hackmann. Von der Polizeidirektion wurden die Einstellungen 1990 mit dem Argument gerechtfertigt, daß die bewußten Männer als „entlastet“ oder „Mitläufer“ galten.

Er sei „entsetzt und beunruhigt“, schrieb Zamory 1995 an Hackmanns Nachfolger Hartmuth Wrocklage, von einer derartigen bürokratischen „Gefühllosigkeit“. Wrocklages Antwort sowie seine Rede zur Eröffnung der Ausstellung „Hamburger Polizeibataillone im 2. Weltkrieg“ im Mai 1995 wiesen zumindest ein Bemühen um größere Sensibilität in der Wortwahl auf. Auf diese Weise dokumentiert die Textsammlung auch den Erinnerungsmarathon vom Mai 1995 und seine rhetorischen Verästelungen.

Wem jedoch zum Beispiel die Debatte, warum die von Wrocklage so wortreich eröffnete Ausstellung der Öffentlichkeit kaum vorgestellt wurde, nicht bekannt ist, dem erschließen sich die Zusammenhänge aus den wenigen in der Broschüre abgedruckten Texten nicht unbedingt. Ein paar begleitende Worte wären hier nützlich gewesen. uwi

„Massenmörder in der Hamburger Polizei nach 1945? – Dokumentation einer Kontroverse“, Hamburg 1996, sechs Mark, zu bstellen beim VVN, Hein-Hoyer-Straße 41, 20359 Hamburg

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