Politische Silvesterfete in Belgrads Straßen

■ 250.000 Menschen feiern mit Filmmusik, Pfeifen und Feuerwerk. Doch Präsident Slobodan Milošević schweigt sich in seiner Neujahrsansprache zu den Protesten aus

Belgrad (AP/AFP/rtr) – Die serbische Opposition hat das neue Jahr begonnen, wie sie das alte beendete: Mindestens 250.000 Menschen demonstrierten in der Silvesternacht in Belgrad gegen Präsident Slobodan Milošević und fordert dessen Rücktritt. Die Protestierenden versammelten sich auf dem Platz der Republik und feierten zusammen mit den Vorsitzenden des Oppositionsbündnisses Zajedno den Jahreswechsel. Mit Musik aus dem Film „Underground“ des jugoslawischen Regisseurs Emir Kusturica, Tanz, Fackeln und Feuerwerken begrüßten sie das neue Jahr. Für die Regierung gab es ein Pfeifkonzert.

Vor der Philosophiefakultät beklatschten Studenten die politische Nummer eines Zauberkünstlers, der eine Wahlurne unter einem schwarzen Tuch verschwinden ließ. Polizeikräfte waren nicht auszumachen. Mit der Silvesterfeier umging die Opposition das Verbot von Demonstrationsmärschen durch die Innenstadt.

„Laßt uns 1997 vollenden, was wir 1996 begonnen haben“, rief der Vorsitzende der Demokratischen Partei, Zoran Djindjić, kurz nach Mitternacht der Menge zu. Auch die Oppositionsführer Vuk Drasković und Vesna Pesić sprachen zu den Demonstranten. Unter Bezug auf die sozialistische Führung des Landes rief Pesić: „Sie sind am Ende. Wir haben gewonnen.“ Um Zwischenfälle zu vermeiden, hatte die Opposition die Demonstranten aufgefordert, auf das Abfeuern von Schußwaffen zu verzichten.

In seiner Neujahrsansprache ging Milošević mit keinem Wort auf die Proteste ein und streifte nur kurz die „internen und externen“ Probleme der jüngsten Zeit. Er kündigte ein „Jahr der Reformen“ auf dem Weg in die Marktwirtschaft an. Zuvor hatten er und Außenminister Milan Milutinović sich nach Angaben von Diplomaten geweigert, ein Demokratie-Ersuchen der Europäischen Union persönlich entgegenzunehmen und einen Vizeaußenminister vorgeschickt. Allerdings habe die EU- Delegation den Eindruck gehabt, daß Serbien bereit sei, dem Demokratisierungsdruck nachzugeben. Grund sei unter anderem die Drohung des Westens, Jugoslawien keine Finanzhilfen zu gewähren. Auch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) verlangt, die Wahlsiege der Opposition anzuerkennen. Die serbische Regierung suche nach Wegen, die Forderungen der OSZE umzusetzen, sagte der EU-Delegationsleiter Menno Lenstra. Der stellvertretende Außenminister habe zwar nicht gesagt, daß alle Forderungen erfüllen würden. Seinen Worten zufolge wolle die Regierung jedoch sicherstellen, daß der Wille des Volkes respektiert werde.