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Bushaltehäuschen in Butterbrotpapier

■ Oskar Sodux' Streifzüge durchs hamburgnahe Niedersachsen: „Es riecht nach Zirkus“

Der Titel dieser Sammlung von Geschichten Es riecht nach Zirkus führt in die Irre. Nicht Trapeze oder Löwenkäfige, sondern Straßenrandbepflanzung, Bushaltehäuschen und Frittenbuden beherrschen die Szenerie. Elf Geschichten versammelt dieser Band, eine zwölfte ist auf dem Schutzumschlag – der übrigens an Butterbrotpapier erinnert – versteckt, dort, wo gewöhnlich der Klappentext steht. Es ist das bereits zweite Buch des in Jesteburg lebenden Autoren nach Kreuzzüge in die Grauzone, das beim Hamburger Rospo Verlag erschienen ist.

In der längsten Geschichte verläßt ein freidenkender Lehrer seine Heimatstadt, um an unbekanntem Ort Selbstmord zu begehen. Drei seiner vormaligen Schüler verdaddeln währenddessen ihr Leben im Haus des Lehrers, jeder gibt vor, zum Blumengießen gekommen zu sein. Einer von ihnen, der Erzähler, legt die Füße unter den Schreibtisch des Lehrers und weiß nicht, worauf er eigentlich wartet. Nach einem Flirt ohne Folgen und einer Spritztour an die See kommt er zu der verdrießlichen Einsicht, daß er bei sich zu Hause auch mal wieder Blumen gießen müßte.

Von abwegigen Sehnsüchten ist in der vorletzten Geschichte die Rede. Kann sich Gülle gänzlich in Madenleiber und Energie verwandeln, wenn die Maden im Gülletrog genetisch daran gehindert werden, zur Fliege zu werden? Aus solchem Dunstkreis offenkundig fehlender Feinfühligkeit möchte sich ein junger Teilnehmer des Agrar-Kongresses entfernen. Auch um dem 8x4-Stallgeruch der Landwirte ade zu sagen, will er jetzt zur Kosmetikbranche wechseln. Der Autor zeigt viel Sympathie für seine Figuren und hat auch ein Faible für Romantik, so daß die Verstocktheit seiner Helden nicht in griesgrämige Kratzbürstigkeit umschlägt, sondern in weichherziger Wirrniss endet. Unnachgiebig bleibt Sodux allein zwei törichten Halbstarken gegenüber. Der eine mit Elvis-Tolle und Nylonkamm, der andere mit Schirmmütze und Trenchcoat, die Schlafstatt aber noch bei Muttern. Als sie sich unverhofft Auge in Auge gegenüber stehen, haben sie nur Achselzucken füreinander übrig. Wenige Zeilen später werden sie per Ambulanz bzw. Polizeiwagen abtransportiert. Solche Anleihen an die Comic-Ästhetik dienen einer Übertreibung im Standbild, wie gewittrige Haare es beispielsweise vormachen. Viele Sätze kommen mit nur drei Worten aus. Dennoch überwiegt eine eigensinnig verschrobene Stillhalteoptik in diesen Texten. Mit fast jedem neuen Satz gibt's ein neues Standbild, vollgesogen mit der Poetik kleinstädtischen Miefs. Damit erweist sich die manieristische Schreibe, allen Vorurteilen des Kitsches zum Trotz, als recht gelungene poetische Übertragungsform dieses Milieus. Sodux' Geschichten sollten aber langsam gelesen werden, denn die Standbilder entstehen – im Unterschied zum Comic – beim Lesen.

Stefan Pröhl Oskar Sodux: „Es riecht nach Zirkus. Geschichten“, Achilla Presse 1996, 144 Seiten, 30 Mark.

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