: Vermieterchen Frost
Hamburgs Mietervereine schlagen Alarm: Viele Wohnungseigentümer lassen ihre Mieter rechtswidrig ohne Heizung überwintern ■ Von Marco Carini
Im Wohnzimmer zehn Grad plus, in der Küche noch drei Grad weniger: Verhältnisse wie diese sind in Hamburg kein Einzelfall. Trotz Eiseskälte müssen sich viele MieterInnen wegen defekter Heizungen und eingefrorener Wasserrohre über den Winter zittern. Reparaturen werden von den Wohnungseigentümern mit absurden – und fast immer kraß rechtswidrigen Begründungen – abgelehnt. „Wir werden zur Zeit mit solchen Beschwerden überhäuft“, klagen unisono Silvia Sonnemann von „Mieter helfen Mietern“ und Eckard Pahlke, Chef des „Mietervereins zu Hamburg“.
So steigt bei Nils Neumann und Sabine Braatz die Quecksilbersäule im Wohnzimmer ihrer Behausung in der Heimfelder Grumbrechtstraße nur auf mickrige 3,5 Grad Celsius. Die Nachtspeicherheizung ist seit über einem Jahr defekt. Der Vermieter aber verweigert den Austausch des Schrottofens mit der Begründung, demnächst werde eine Gaszentralheizung in der Wohnung eingebaut. Noch schlimmer sieht es im Badezimmer der Wohnung aus, das ganz ohne Heizung vermietet wurde. Die Kacheln sind bereits von einer Eisschicht bedeckt.
Über eine Raumtemperatur von immerhin 10 bis 12 Grad verfügt das Schlafzimmer der Familie Sch. in Oldenfelde. Der durch eine Zwischenwand abgeteilte Raum sollte, so versprach der Vermieter bereits vor einem dreiviertel Jahr, mit einer Heizung ausgestattet werden. Es blieb bei der Ankündigung. Kalte Füße hat auch die Mieterin einer Harburger Einliegerwohnung – die Temperatur in ihrer Küche überschreitet nur selten die Marke von sieben Grad. Da der Vermieter den in der Inklusivmiete eingerechneten Heizkostenanteil nicht überschreiten will, weigert er sich, den Regler aufzudrehen. Auch die Kosten für einen Heizlüfter will der Wohnungsbesitzer nicht übernehmen – die Mieterin soll lieber frieren.
Nicht weniger Probleme gibt es mit eingefrorenen Wasserrohren: In einer kohlebeheizten Bramfelder Erdgeschoßwohnung mit drei Außenwänden verweigert die Hausverwaltung seit Jahren aus Kostengründen den Einbau einer Zusatzheizung. Doch ohne sie, so hat ein herbeigerufener Klempner attestiert, ist ein Einfrieren der Leitungen unvermeidlich. Auch in der Weidestraße in Barmbek waren bis Ende vergangener Woche die Wasserleitungen gleich mehrerer ausgebauter Dachgeschoß-Wohnungen vereist. Hier hat die Wohnungsvermieterin SAGA inzwischen zumindest provisorische Abhilfe geschaffen: Mehrere in einer Abseite aufgestellte Heizlüfter versorgen die Rohre jetzt mit Heißluft.
Nur „die Spitze des Eisbergs“ sind für Silvia Sonnemann diese Fälle. Doch statt den geizigen Vermietern einzuheizen, würden viele MieterInnen lieber in Decken gehüllt des Frühlings harren. Dabei ist die Rechtslage eindeutig: „Tagsüber muß der Vermieter für eine Raumtemperatur von mindestens 20 Grad sorgen, nachts darf das Thermostat nicht unter 17 Grad sinken“, klärt Eckard Pahlke vom Mieterverein zu Hamburg auf.
Weigert sich ein Wohnungseigentümer, eingefrorene Wasserrohre und defekte Heizungsanlagen instand zu setzen, können die unterkühlten MieterInnen notwendige Reparaturen selber in Auftrag geben und die Rechnung gleich an ihren Vermieter schicken. Solange die Wohnung kalt und die Wasserzufuhr vereist ist, empfiehlt sich nach Absprache mit einem Anwalt oder Mieterverein auch eine Mietminderung – oft die einzige Sprache die geizige Vermieter verstehen.
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