Merchandising?!

■ Bremer Agentur will das Kunst-Shopping in ein richtig gewinnträchtiges Geschäft verwandeln / „Lücke“ entdeckt

Kaum ist der Streit ums Pro und Contra von Kultursponsoring ausgesessen und durchgestanden, bahnt sich schon eine neue Debatte an. Das Stichwort dafür stammt wiederum aus dem Englischen und heißt Merchandising. Kann man nicht, so die zugrundeliegende Frage, neben einem Ausstellungsbesuch und dem Cappuccino im Museumscafé auch noch einen Geschenkartikel – wie etwa das exklusive Liebermann-Puzzle – an die kunstinteressierte Frau und ihren Mann bringen? Man kann, heißt die Antwort von allen, die einen Museumsshop von innen kennen. Man könnte es viel besser, sagt dagegen Claire-Kiyoko Klindt, die Geschäftsführerin einer Agentur mit Sitz in Bremen. Wie's geht, will sie zusammen mit einer MitstreiterInnenschar in den nächsten Monaten in ganz Deutschland, am liebsten gar europaweit beweisen.

Von Andy Warhol ist der Ausspruch überliefert, daß die Warenhäuser die Museen als Schausammlungen von Gegenwarts- und Gebrauchskunst beerbt hätten. Doch zumindest in der amerikanischen Heimat der Pop-Art-Ikone haben Kunstwirtschaft und -bewahrung längst reagiert. Unter den Stichworten „Museumsshop“ oder „Museum Store“ wurden in den übrigens im Schnitt nicht schlecht besuchten Musentempeln Abteilungen mit Kaufhauscharakter eingerichtet. Und wenn man sich das heuer vor Ort ansieht, fragt man sich erstens, ob die Leute nun zuerst in den Shop oder ins Museum gehen, und zweitens, warum diese Kaufhäuschen hierzulande bevorzugt zwischen Garderobe und Toilettenflur untergebracht sind.

Nach Bremen. In das Haus einer Rechtsanwaltssozietät an der Schlachte. Im dritten Stock ein kleines Büro. Die Einrichtung nagelneu, an den Wänden Plakate. Hier residiert seit einigen Monaten Claire-Kiyoko Klindt und ihre Agentur „White Balance – projects pool agency“. Projekt-Pool? Projekte? Was denn für welche, wollen wir wissen. „Gastronomie, Film, Kultur“, antworten Claire-Kiyoko Klindt und ihre Mitarbeiterin Gabriele Heepen eher unverbindlich. Sei's drum, denn bei der Konzeptionierung dieser und jener Projekte habe sie, Klindt, „die Lücke“ mit den Museumsshops entdeckt. Und weil sie dabei schneller war als andere, fand sie in Eske Nannen (Kunsthalle Emden) oder Jörn Christiansen (Focke-Museum, Bremen) die ersten ihrer MitstreiterInnen.

Ein erstes größeres Treffen „mit fünfzig Entscheidungsträgern“, wie Klindt betont, fand Anfang Dezember in Bremen statt; ein weiteres, für die Organisationsbildung folgenreiches soll sich Ende Januar im Kunstmuseum Wolfsburg anschließen. Das Ziel: Nach US-amerikanischem Vorbild wollen Klindt und Co eine europäische „Museumsshop Association“ (MA) gründen. Zunächst als Verein soll die MA Museen bei Einrichtung und Ausbau von Shops beraten und die Felder Produktion und Einkauf koordinieren.

Tatsächlich eine Lücke das. Denn die meisten Museen, die bislang einen Shop unterhalten, wurschteln auf eigene Initiative. Angefangen bei den Katalogen bis hin zum Geschenkartikel für den besonderen Geschmack herrscht Betriebswirtschaft im engsten Sinne vor. Schon durch den gemeinsamen Verkauf und Absatz von Kunstpostkarten ließen sich bessere Mengenpreise und damit auch höhere Gewinne erzielen, weiß Willy Athenstädt von der Kunsthalle Bremen. Gleichwohl fahren manche Museen schon jetzt nicht schlecht mit ihrem kommerziellen Zweit-Standbein. Nicht nur das Kunsthistorische Museum in Wien finanziert den gesamten Sonderausstellungsetat damit.

Sowas weckt auch die staatlichen KulturverwalterInnen. Derweil die Subventionen allerorten gekürzt werden, wächst sowohl im Haushaltspoker als auch tatsächlich die Bedeutung von Eigeneinnahmen. Das hat in Deutschland, dem Land der Regler und Lenker, dazu geführt, daß die starren Richtlinien gelockert wurden und werden sollen, die ein auch nur ansatzweise dem US-Vorbild ähnliches Museumsshopping bislang vereitelt haben. Nach Angaben des Juristen Thomas Rinne waren öffentlichen und – abhängig von der Rechtsform – auch privaten Museen enge Grenzen gesetzt. Ein als gemeinnützig anerkanntes Haus mußte beim Bruttoumsatz aus wirtschaftlicher Tätigkeit von mehr als 60.000 Mark im Jahr mit dem Entzug des Status rechnen. Und bei öffentlichen Einrichtungen ist in der Regel die Weitervergabe des potentiell lukrativen Wirtschaftsteils an Dritte vorgesehen. Erst seit der Einführung von Budgets verbleibt wenigstens ein Teil der Miet- und Pachteinnahmen in der Buchführung des Museums.

Indes schlittern immer mehr Kommunen in eine Haushaltsnotlage, und deshalb sind hier weitere Lockerungen in Sicht. Für das Bremer Focke-Museum ist nach Angaben des Leiters Jörn Christiansen für 1998 die Einführung der Budgetierung vorgesehen. Ihm ist deshalb die „White Balance“-Idee willkommen. „Der Markt wächst“, sagt er und begrüßt deshalb auch die geplante Messe für Museumsshops samt Bedarf, die ab März 1998 jährlich in Bremen stattfinden soll.

Skeptisch bis ablehnend dagegen die Reaktionen aus anderen Häusern. Im Neuen Museum Weserburg, das sich Vitrinen und Kommissionsware seit einiger Zeit vom Philipp-Morris-Konzern zur Verfügung stellen läßt, will man sich jedwede kulturelle Leistung nicht durch eine übergeordnete Gesellschaft aus der Hand nehmen lassen. Willy Athenstädt von der Kunsthalle, die 1998 mit erheblich vergrößertem und professioneller gestaltetem Shop wiedereröffnet wird, beruteilt das Association-Konzept als „sehr, sehr positiv“ und „überfällig“. Doch ihm behagt die von „White Balance“ forcierte Mischung aus Produzenten (sprich Museen) und Verkäufern (sprich Kunstwarenhändlern) nicht.

So oder so: Die Museen sind gezwungen, auch über das Eintrittsgeld hinaus auf den Börseninhalt ihrer BesucherInnen zu schielen. In den USA hat das immerhin dazu geführt, daß sich manche, die ein Warenhaus aufsuchten, in einem Museum wiedergefunden haben.

Christoph Köster