: Flugsicherheit in der Grauzone
■ Nach der Entführung einer Verkehrsmaschine gibt es Kritik an den Sicherheitsstandards in Tegel. Sicherheitsfirma und Polizei widersprechen sich bei Angaben zur Tatwaffe: War das Messer an Bord legal?
Die Sicherheitsstandards am Flughafen Tegel reichen nicht aus, um Flugzeugentführungen zu verhindern. Das ist das Fazit der gestrigen Flugzeugentführung, bei der ein 39jähriger bosnischer Asylbewerber eine Maschine der österreichischen Fluggesellschaft „Austrian Airlines“ nach dem Start in Berlin in seine Gewalt brachte (siehe Seite 1). Die Waffen schmuggelte der Entführer offensichtlich durch die Kontrollen, die erst vor kurzem von der privaten Sicherheitsfirma „Securitas GmbH Sicherheit und Service“ übernommen wurden. Gegen die Übernahme der Kontrollen durch die „Securitas“, die mit 90 Angestellten weniger als ihre Vorgängerfirma arbeitet, war vor wenigen Monaten massive Kritik laut geworden.
Unklarheit bestand gestern über die Art der Waffen, mit denen der Luftpirat die Piloten zur Rückkehr nach Berlin zwang. Während die Polizei in Tegel von einem langen Holzknüppel und einem etwa 25 Zentimeter langen Küchenmesser sprach, dementierte die Sicherheitsfirma: Das Messer, so der Geschäftsführer der „Securitas“, Reinhard Ottens, habe nur eine sieben Zentimeter große Klinge gehabt, deshalb träfe die Kontrolleure keine Verantwortung für die Entführung: „Der Bundesgrenzschutz macht uns keinen Vorwurf, denn ein so kleines Messer fällt nicht unter die Kategorie Waffe.“ Laut den Vorschriften sei ein solches Messer an Bord eines Flugzeugs also zulässig. „Offensichtlich kann aber trotzdem etwas passieren“, kommentiert Ottens diese Grauzone im Sicherheitssystem. Auf anderen Flughäfen wie in Singapur oder in New York hingegen dürfen selbst kleine Messer nicht mit an Bord genommen werden.
Ottens gibt aber dennoch eine Lücke in der Sicherheitsüberprüfung zu: „Wir haben das Messer nicht bemerkt. Wäre das der Fall gewesen, hätten wir es nicht mit an Bord gelassen.“ Detlev Dauke vom Bundesinnenministerium, das für die Flugsicherheit zuständig ist, wollte sich vor Abschluß der Ermittlungen gestern nicht äußern.
Nach Angaben von Ottens arbeiten inzwischen 240 Mitglieder seiner Gesellschaft an den Sicherheitschecks in Tegel, die ihnen zum 1. Januar vom Bundesgrenzschutz übertragen worden sind. Ulrich Fehlau, Geschäftsführer der Sicherheitsfirma „Deutscher Schutz- und Wachdienst“ (DSW), die bisher in Tegel die Kontrollen durchführte und nun von der „Securitas“ mit einem niedrigeren Preis unterboten wurde, meinte, er wolle die Arbeit der Konkurrenz nicht bewerten. „Für mich zählen die Fakten: Mit DSW hat es in Tegel in 22 Jahren nie ein Problem gegeben. Bei der „Securitas“ gibt es nach sieben Tagen eine Flugzeugentführung.“ Die Qualität der Sicherheitsüberprüfungen, die die DSW mit 320 Angestellten und höherer Bezahlung leistete, sei „eben nicht zu einem niedrigen Preis zu haben“.
Auch die Verkehrsverwaltung runzelt heftig die Stirn. Dort habe man über die Weihnachtsferien Extraarbeit geleistet, um alle kurzfristig angesetzten Sicherheitsüberprüfungen der neuen „Securitas“-Mitarbeiter zu bearbeiten, meinte die Sprecherin Petra Reetz. „Wenn sich herausstellt, daß dort eine beeindruckende Waffe durchgeschmuggelt wurde, werden wir mindestens eine Verwarnung aussprechen.“ Es sei das erste Mal, daß von Tegel aus ein Flugzeug entführt worden sei. Bernhard Pötter
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