Brandenburgische Völkerfreundschaft

Der „Deutsch-Polnischen Gesellschaft“ droht das Aus. Landeszentrale für politische Bildung muß wegen absurder Förderungsrichtlinien der Landesregierung 30.000 Mark zurückfordern  ■ Von Christian Semler

Berlin (taz) – Es gibt nicht viele Menschen auf deutscher Seite, die in Brandenburg den steinigen Acker der polnisch-deutschen Verständigung pflügen wollen. Zu ihnen gehört die DPG, die Deutsch- Polnische Gesellschaft Brandenburg mit dem SPD-MdB Markus Meckel an der Spitze und Ruth Henning in der Geschäftsführung. Und diesen wenigen werden seitens der brandenburgischen Bürokratie noch zusätzliche Steine in den Weg gelegt. Der DPG droht jetzt nicht nur der finanzielle Knockout, sie sieht sich außerdem noch mit Rückforderungen der Landeszentrale für politische Bildung in Höhe von rund 30.000 Mark konfrontiert. Der Grund: die Förderrichtlinien der brandenburgischen Landesregierung, die die Vergabe von Geldern seitens der Landeszentrale regeln.

In diesen Richtlinien wird statuiert, daß bei „Bildungsmaßnahmen“, so diese mit Übernachtungen verbunden sind, 90 Prozent der Teilnehmer brandenburgische Landeskinder sein müssen. Dieser Satz ermäßigt sich auf 50 Prozent, wenn die Teilnehmerzahl 30 übersteigt. Wer die Verhältnisse im Lande Brandenburg kennt, die Mobilisierbarkeit der „Landeskinder“ für polnisch-deutsche Themen, die Asymmetrie des Interessses füreinander zwischen Polen und Deutschen, kann aus dieser Regelung nur den Schluß ziehen, daß polnisch-deutsche Begegnungen möglichst verhindert werden sollen. Die DPG hat in ihrer Arbeit diese Richtlinien außer Acht gelassen, sie vertraute der mehrfachen Zusicherung der Landeszentrale für politische Bildung, für polnisch-deutsche Veranstaltungen werde eine Ausnahme gemacht.

1996 organisierte die Gesellschaft neben vielen anderen Aktivitäten zwei interessante Seminare. Eins in Szczecin/Stettin zum Thema „Akten auf – Akten zu, zum Umgang mit der Vergangenheit in Deutschland und Polen“, das andere auf und am Rande der Oder zum Thema „Oder – Wirtschaft oder Ökologie“ entlang der Odergrenze. Der Rückforderungsanspruch bezieht sich auf diese beiden Seminare. In einem Hilferuf schildert die DPG, was sie tun müsse, wolle sie den Richtlinien genüge tun:

„1. Keinen deutschen Nicht- Brandenburger einladen, weil der den Proporz zuungunsten der Polen beeinflußt. 2. Sich auf die Einladung Brandenburger Landeskinder konzentrieren. 3. Nur so viele Polen einladen, wie Brandenburger ihre Teilnahme zugesagt haben. 4. Zu Beginn der Veranstaltung abzählen und die überzähligen Nicht-Brandenburger und Polen nach Hause schicken.“

Weder die „Landeszentrale“ noch irgendeine der brandenburgischen Regierungsstellen sind außerdem zu bewegen, für die Gesellschaft auch nur ein Scherflein „institutioneller Förderung“, d.h. einen Personalkostenzuschuß bereitzustellen. Dies mit der wahrheitswidrigen Behauptung, institutionelle Förderungen seien mit den Richtlinien in keinem Fall vereinbar. So ergibt sich die absonderliche Situation, daß die DPG über bis zu 200.000 Mark potentieller Förder- bzw. Drittmittel verfügt, die sie aber nicht ausgeben kann, weil sie für die inhaltliche und organisatorische Arbeit keinen Pfennig zur Verfügung hat.

Der Chef der „Landeszentrale“, Hans Misselwitz, und sein zuständiger Referent, Matthias Görnhardt, sind gegen die Anwendung der Förderrichtlinien auf die deutsch-polnische Arbeit mehrfach Sturm gelaufen. Sie forderten, eine Ausnahmeregelung in die Richtlinien aufzunehmen – vergeblich. Schließlich unterzeichnete Misselwitz die Rückforderung an die DPG in der stillen Hoffnung, die Auseinandersetzung in die Öffentlichkeit zu tragen. Zumindest diese Hoffnung hat nicht getrogen.

Die Gegner der förderungswilligen Leute sitzen in der Staatskanzlei, der die Landeszentrale angegliedert ist. Was als bürokratischer Grabenkampf begann, erfährt jetzt eine politische Zuspitzung: Die Staatskanzlei sabotiert ein gewichtiges Regierungziel, den allseitigen Ausbau der polnisch-deutschen Beziehungen an Oder und Neiße. Immerhin hat dieses Ziel Verfassungsrang, denn in der brandenburgischen Verfassung ist zu lesen, daß Brandenburg „die Zusammenarbeit mit anderen Völkern, insbesondere mit dem polnischen Nachbarn“ anstrebt. Es war Ministerpräsident Manfred Stolpe höchstselbst, der in der Vergangenheit Anstrengungen der DPG zur Verwirklichung dieses Ziels gewürdigt hat.

Der jüngste Beitrag der brandenburgischen Regierung zu dem gleichen Ziel setzt vortrefflich eine Reihe früherer Taten bzw. Unterlassungen fort. So tat die brandenburgische Regierung nichts, um jene monströse EU-Richtlinie zu modifizieren, die Förderungsmaßnahmen in Grenzregionen aus dem EU-Topf „Interreg II“ an die Bedingung knüpfte, die zu fördernden Initiativen müßten ohne Ausnahme auf deutschem Boden angesiedelt sein. Diese völkerverbindende Regel ist in Kraft geblieben, bis das Programm auslief.