: Bis es weh tut
■ Thomas Matschoß inszeniert mit Goethes Stella am Ernst Deutsch Theater seinen ersten Klassiker als eine Parabel über erotische Realitätsferne
Regieassistent am Thalia Theater, freier Produzent auf Kampnagel, Regisseur des Hamburger Jedermanns in der Speicherstadt, Autor und Regisseur am Stadttheater Bremerhaven - die Theaterkarriere von Thomas Matschoß ist bunt und vielfältig. „Mir ist immer sehr viel Schubladendenken entgegengekommen - und ich wollte immer nur Theater machen, das ist ganz einfach“, sagt Thomas Matschoß. Obwohl es eben nicht immer ganz einfach war, weder die Konfrontationen mit Spielleitern noch mit Kritikern. „Als ich im Oktober die Kino-Revue Oskar am Tivoli inszenierte, fragte mich jemand, ob das nicht ein Abstieg sei. Das ist doch unverschämt. Und dumm.“
Jetzt macht Matschoß wieder etwas unerwartetes: Er zeigt seine erste Klassiker-Inszenierung am bürgerlichen Ernst Deutsch Theater. Daß die Inszenierung für's Privattheater in vermeintlicher Anpassung ans Publikum bieder wird, steht nicht zu befürchten: „Zuschauer sollte man nicht unterschätzen. Ich mache immer Stücke, die mir und den Schauspielern gefallen, und die können dann genauso alten wie jungen Leuten gefallen. Es gibt ja so viele schreckliche junge Leute“, grinst der 41jährige.
Goethes Stella kennt er selbst noch aus seiner Jugend, nämlich durch Szenenarbeit an der Schauspielschule. Seitdem war klar: „Wenn Goethe, dann Stella.“ Das Interessante an dem Sturm-und- Drang-Drama ist für ihn der Moment, in dem das distanzierte Amüsement über den Text verschwindet. „Zuerst lacht man über Sätze wie ,Das verzweifelte Herz sank in Ermattung dahin', haha, große Empfindsamkeit, aber dann kommt der Punkt, wo es weh tut. Ich meine, warum halten sich Stücke 200 Jahre auf der Bühne? Das kann ja nicht nur daran liegen, daß einige Menschen Theater mit Museum verwechseln.“
An Goethes Drama über eine Dreiecksbeziehung zwischen Mann, Ex- Gattin und Ex-Geliebter reizt ihn weniger das Problem „dieser sehr schweren, aber nicht unmöglichen Lebensform“, sondern die Realitätsferne, mit der sich die Beteiligten ein Bild des Geliebten machen, und blind daran festhalten. Eine solche Liebe hält Matschoß für unlebbar, weshalb er sich für Goethes späteren Schluß des Dramas entscheidet, den Selbstmord.
Die Inszenierung bleibt genau an der Vorlage, soll „einfach, direkt und konkret“ sein. Die Bühne ist fast leer, nur zwei Prospekte, ein Steg und ein Mikrophon sind zu sehen. Inspiriert von der belgischen Needcompany soll über die Technik mit Nähe und Distanz gespielt werden. „Entscheidend ist der Text, und da ist Goethe wie Werner Schwab: Er geht direkt ins Herz.“
Christiane Kühl
Premiere: Do, 9. Januar, 19.30 Uhr
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