piwik no script img

In Ewigkeit, aber nicht hier

Streit um Flüchtlingsdörfer: Hamburgs Bezirke wollen sie am liebsten schnell loswerden, die Sozialbehörde will sie lassen, wo sie sind  ■ Von Heike Haarhoff

Hamburgs autonome Bezirke erheben sich gegen die Zentralregierung. „Dauerhaft“, betont der Wandsbeker Bürgermeister Klaus Meister (SPD), „können die Pavillondörfer für Flüchtlinge nicht bleiben, wo sie jetzt sind.“ Genau das aber will die Sozialbehörde flächendeckend durchsetzen. Die als Provisorien und meist gegen den Willen der Anwohner eingerichteten Massenunterkünfte sollen aus Kostengründen jetzt doch langfristig erhalten bleiben. Im Februar soll die vertrauliche Senatsdrucksache „Pavillondörfer“ (taz berichtete) Gesetz werden.

Doch die Provinz-Bürgermeister wehren sich ohne Scheu vor Populismus: „Wir haben den Anwohnern damals die Zusage gemacht, daß die Holzhäuschen nur vorübergehend sind. Dazu stehe ich“, bangt Wandsbek-Chef Meister um Wählerstimmen. Sein Altonaer Amtskollege Uwe Hornauer (SPD) empört sich gar über das „überfallartige“ Vorpreschen der Sozialbehörde „kurz vor Weihnachten“. Das An-sinnen, die Standorte Rugenbarg und Henningstedter Weg dauerhaft zu erhalten, habe „ziemliche Auseinandersetzungen“ provoziert.

Zu überlegen sei allenfalls, ob die Flüchtlingssiedlungen für jeweils 200 bis 250 Menschen erneut um fünf Jahre verlängert werden könnten. „Der gesunde Menschenverstand sagt doch, daß menschengerechtes Wohnen da nicht möglich ist.“ Das glaubt auch Nord-Chef Matthias Frommann (auch SPD): „Die Holzhütten sind nicht für die Ewigkeit.“ Da sie in seinem Bezirk aber „in unproblematischen Gebieten“ nahe der Bürostadt City-Nord lägen, habe er nichts gegen eine „längere Nutzung“.

Die plötzliche Sensibilität gegenüber Flüchtlingen und ihrer Unterbringung löst in der Sozialbehörde Stirnrunzeln aus. „Wir haben gute Gründe“, sagt Sprecherin Christina Baumeister, von denen der Senat die Bezirke „notfalls per Evokation“ überzeugen werde. Die 19 Pavillondörfer seien „vom Standard sehr gut“, der teuren Unterbringung in Hotels vorzuziehen und nötig: „Die Asylbewerber ziehen nicht massenhaft aus.“

Viele Dörfer stehen auf Flächen, die als Grün- oder Landschaftsschutzgebiete ausgewiesen sind. Bei dauerhafter Nutzung müßte das Planrecht, so auch am Mattkamp in Billstedt, geändert werden. „Das kommt nicht in Frage“, wehrt sich Rolf Miller, SPD-Bezirksamtsleiter Mitte. Nur seine Bergedorfer SPD-Kollegin Christine Steinert hält die Idee „für gut vertretbar“.

Ohnehin haben Bergedorf und Harburg wegen ihrer Randlage kaum zu fürchten, daß ihnen die zentrale Aufnahmestelle für Flüchtlinge zugewiesen wird: Noch befindet sich diese auf den Wohnschiffen (2.300 Plätze) in Neumühlen. Sobald Oberbaudirektor Egbert Kossak am Altonaer Elbrand aber seine städtebauliche „Perlenkette“ realisiert, sollen die weg. „Die Wandse ist nicht ausgebaut für Wohnschiffe“, warnt Klaus Meister vorsorglich. „Vielleicht wäre es am Flughafen günstig, weil da auch die meisten Flüchtlinge ankommen“, entgleist auch seinem Amtskollegen Miller der Humor.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen