: Kreuzberger Kleinkindergärten vor dem Aus
■ Gegen den Wegfall von Tagesgroßpflegestellen für Kinder protestieren Eltern und ErzieherInnen. In Kreuzberg sollen fast 90 Plätze gestrichen werden
Das Bezirksamt Kreuzberg plant, in den nächsten drei Jahren fast 90 Plätze in sogenannten „Tagesgroßpflegestellen“ zu streichen. Tagesgroßpflegestellen sind eine Art Zwischenstufe zwischen Kita und Kindergarten: In jeder Großpflegestelle werden nur acht Kinder zwischen ein und sechs Jahren betreut. Die ErzieherInnen arbeiten jedoch als Honorarkräfte. Sie sind also nicht öffentlich angestellt und mieten die Räume eigenverantwortlich an. Finanziert werden die Tagesgroßpflegestellen, die vermehrt in den achtziger Jahren aufgrund des Kitaplätzemangels entstanden, von den Bezirken. In Kreuzberg gibt es derzeit 35 Tagesgroßpflegestellen mit rund 280 Kindern.
Nach Angaben von Jugendstadträtin Hannelore May sollen viele Stellen wegfallen, weil der bezirkliche Bedarf an Betreuungsplätzen inzwischen durch Kitas und Eltern-Initiativ-Kitas gedeckt werde: „Wir brauchen deshalb zukünftig nicht mehr so viele Stellen in den Einrichtungen.“ Doch die ErzieherInnen und auch die Eltern sehen das anders: Sie protestierten gegen die drohenden Schließungen während der vergangenen Wochen in zahlreichen Briefen an das Bezirksamt und die Senatsjugendverwaltung.
Denn bereits in diesem Jahr sollen 40 Plätze weggekürzt werden. Den immer wieder angeführten „Einsparungseffekt“ kann Erzieher Thomas Gärtner nicht nachvollziehen: Tagesgroßpflegestellen seien im Vergleich zu herkömmlichen Kitas kostengünstiger, so Gärtner, da die Gehälter der Erzieherinnen niedriger seien und diese auch alle Putz- und Kochdienste übernähmen. Jetzt befürchten die ErzieherInnen, daß sie nicht nur keinen neuen Arbeitsplatz finden werden, sondern auch erst einmal die Mietkosten der Räume übernehmen müssen. „Bis heute haben wir keine schriftliche Zusage, daß die Miete vom Bezirk übernommen wird“, ärgert sich Thomas Gärtner.
Auch die Begründung des zuständigen Amtsleiters, es gebe nicht mehr genügend Bedarf für Tagesgroßpflegestellen, kann Gärtner nicht teilen: „Viele Eltern sind beim Pflegekinderdienst nur sehr zögerlich über diese Betreuungsmöglichkeit informiert worden.“ Außerdem gebe es bereits zahlreiche Anmeldungswünsche.
Die Jugendstadträtin räumt ein, daß die Situation für die ErzieherInnen „hart werde“, da diese selbständig seien und nach der Schließung der Tagesgroßpflegestellen möglicherweise Sozialhilfe beziehen müßten. „Wir können ihnen leider auch nicht helfen, denn im Moment gibt es keine Hoffnung auf öffentliche Stellen in Kitas“, bedauert May die Situation.
Inzwischen hat die Jugendsenatsverwaltung den Bezirk Kreuzberg um eine Stellungnahme gebeten. Jedoch, so betont Sprecherin Rita Hermanns, gebe es eine „Planungshoheit“ der Bezirke; ihre Verwaltung könne diesbezüglich keine Entscheidungen treffen. Die Senatsjugendverwaltung halte Tagesgroßpflegestellen ingesamt für sinnvoll, da es „immer Kinder gibt, die einen besonderen Betreuungsbedarf brauchen“.
Die geplanten Streichungen sollen am Freitag im Kreuzberger Jugendhilfeausschuß diskutiert werden. Julia Naumann
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen