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Exgeiseln bespitzelt

■ Perus Geheimdienst schnüffelt hinter freigelassenen MRTA-Geiseln her

Lima (taz) – Ein japanischer Journalist und sein Dolmetscher klopften am Dienstag bei dem MRTA-Kommando in der Residenz des japanischen Botschafters an und wurden reingebeten. Circa eine Stunde lang hielten sie sich in der Residenz auf. Bei ihrer Aktion hatten sich die beiden recht clever angestellt. Um zur Residenz des japanischen Botschafters zu kommen, versteckten sie sich in einem Haus in der Nachbarschaft und konnten unbemerkt in den Garten der Residenz gelangen. Der Hausbesitzer wurde schon kurze Zeit nach Bekanntwerden des Besuches verhaftet. Als der Journalist und sein Dolmetscher den Rückweg antraten, wurden auch sie von der Polizei geschnappt und zum Hauptquartier der Antiterrorpolizei Dincote geschafft.

Dincote und der Geheimdienst Sin dürften sich über die beiden gefreut haben. Denn die peruanischen Sicherheitsorgane stecken in der Klemme. Die beamteten Schnüffler waren von der Besetzung der Residenz des japanischen Botschafters durch ein Kommando der Guerilla „Revolutionäre Bewegung Túpac Amaru“ genauso überrascht wie die knapp 600 Geiseln, die zu Anfang in die Gewalt der MRTA gerieten. Warum hatte der allmächtige Sin nichts von der Besetzung geahnt?

Die Antwort lag auf der Hand. Der Sin hat sich vor allem um die legale Opposition gekümmert und dabei die bewaffneten Gruppen aus dem Auge verloren. Jetzt, da hektisch ermittelt wird, sind wieder einmal alle verdächtig. Dazu zählen zuerst einmal die freigelassenen Geiseln. Nach Informationen der Tageszeitung La República studiert der Sin sehr sorgfältig die Gästeliste des japanischen Botschafters. Die freigelassenen Kellner und diensthabenden Polizisten werden überprüft.

Der Sin geht davon aus, daß der Sturm auf die Residenz nur mit Hilfe von Gästen oder Angestellten möglich war. Wenn schon keine direkten Kollaborateure zu finden seien, dann wenigstens Briefträger, die Nachrichten von der MRTA an ihre GenossInnen außerhalb getragen haben.

Javier Diez Canseco, Abgeordneter der Vereinigten Linken im peruanischen Nationalkongreß, verließ als Geisel die Residenz des japanischen Botschafters bereits in den ersten Tagen. Seither beobachtet er komische Typen, die um sein Haus herumstreunen. Autos mit getönten Scheiben und ohne Nummernschild parken in der Nähe seines Hauses – für Diez Canseco Anzeichen, daß er vom Sin überwacht wird.

Zusammen mit Diez Canseco wurde auch der Ökonom Alejandro Toledo freigelassen. Die beiden versuchten, sich als Vermittler anzudienen, stießen damit jedoch auf wenig Gegenliebe bei der Regierung. Seit seiner Freilassung, so weiß Toledo zu berichten, werden sein Privat- und sein Bürotelefon abgehört. „Mit dieser Art der Überwachung werden alle meine Gespräche von seltsamen Elementen mitgehört“, beschwert er sich. Außerdem berichtet Toledo, daß er regelmäßig observiert wird. Wenn er mit dem Auto in die Stadt fahre, hinge an seiner Stoßstange stets ein Wagen ohne Nummernschild. Ingo Malcher

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