: Alte Muster
■ PDS-Sprecher Harnisch gesteht Stasi-Mitarbeit
Wolf Biermann hat vor zwei, drei Jahren einen bemerkenswerten, aber leider schnell in Vergessenheit geratenen Satz geschrieben. Daß er in den frühen 60ern nicht als IM bei der Stasi landete, sei ein Zufall gewesen. So dünn waren die Grenzen. Und mancher westliche Kommentator hätte sich besser diesen Biermann-Satz vergegenwärtigt, ehe er zum routinierten und moralisch hochgerüsteten Schlag ausholte. Wahrscheinlich werden auch nun, im Fall des PDS-Pressesprechers Hanno Harnisch, wieder die bewährten Kommentatoren die bewährten Argumente ins Feld führen. Ein Beweis, daß die PDS nichts als ein Auffangbecken für Seilschaften sei, unter dünnem demokratischem Anstrich nur Unmoral und Stasi.
Das ist, mit Verlaub, ein recht ödes, vorhersehbares Unterfangen. Mit solchen Generalverdikten wird man der PDS kaum gerecht, ja, sie verstärken wohl eher, daß in der PDS auch weiterhin zusammenbleibt, was eigentlich nicht zusammengehört: nämlich der orthodoxe Flügel, der noch immer ein bestenfalls instrumentelles Verhältnis zur Demokratie hat, und der mehr oder weniger reformistische Flügel, der die PDS als linke demokratische Partei etablieren will.
Freilich: Hanno Harnisch hat nichts getan, um die ausgetrampelten Pfade in der Stasi-Debatte zu verlassen. Anstatt von sich aus an die Öffentlichkeit zu gehen, hat er, wie alle, gewartet, bis er enttarnt wurde. Und auch daß er heute mit einer Mischung aus „Trotz, Überzeugung und Scham“ seine Stasi-Zuträgerschaft beurteilt, macht einen, gelinde gesagt, unglücklichen Eindruck. Waschen, ohne naß zu werden – das ist noch immer das Motto, nach dem die PDS Vergangenheit (nicht) bewältigt. Harnisch will weiter Pressesprecher bleiben, kein Gedanke an Rücktritt. Mag sein, daß laut PDS-Parteitagsbeschluß nur gewählte Spitzenleute der Partei über ihre Vergangenheit Rechenschaft ablegen müssen und Harnisch nicht dazuzählt. Aber das ist ein formalistisches Argument, das am Kern vorbeigeht. Denn gerade der Reformerflügel, zu dem auch Harnisch zählt, muß in der Vergangenheitsdebatte einen anderen, neuen Ton finden. Zumindest wenn die Partei ernsthaft, wie von André Brie gefordert, in der Bundesrepublik ankommen will. Stefan Reinecke
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