piwik no script img

Serbiens Opposition auf dem Vormarsch

■ Milosevic ist nach einem Zeitungsbericht nicht nur in Nis zu Zugeständnissen bereit. Die OSZE verlangt erneut die Anerkennung aller Wahlerfolge von Zajedno. Studenten planen Belehrung der Polizei

Belgrad (dpa/taz) – Das serbische Oppositionsbündnis Zajedno will auch nach Anerkennung seines Sieges bei den Kommunalwahlen in der Industriestadt Niš durch die Regierung seine Demonstrationen fortsetzen. Die Opposition forderte, daß ihre Erfolge in allen Städten für gültig erklärt werden. Außerdem verlangte Zajedno, daß ihr in Niš mehr Mandate zugesprochen werden. „Wir sind mit dieser Entscheidung unzufrieden, und sie widerspricht auch den Befunden der Delegation der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE)“, sagte Zoran Djindjić, Mitglied der Zajedno-Führungstroika, gestern dem privaten Radiosender B 92 in Belgrad.

Zajedno verfüge über Beweise, daß die Ergebnissen in Niš gefälscht wurden. Die Opposition beanspruche 41 statt der 37 zugestandenen Mandate, sagte Djindjić. Für gestern nachmittag rief Zajedno seine Anhänger in Belgrad und anderen Städten trotz Demonstrationsverbots zu neuen Protesten auf.

Der Anerkennung des oppositionellen Wahlsiegs in Niš sollen weitere Zugeständnisse der serbischen Regierung an die Opposition folgen. Die unabhängige Zeitung Dnevni Telegraf berichtete in ihrer gestrigen Ausgabe, Präsident Slobodan Milošević wolle weitere Wahlsiege der Regierungsgegner bei den Kommunalwahlen anerkennen, um so den innenpolitischen und internationalen Druck gegen seine Person zu reduzieren.

Außerdem habe er vor, die Regierung von Parteimitgliedern Jugoslawischen Linken (JUL) seiner Frau Mirjana Marković zu säubern. JUL-Politiker hatten eine gewaltsame Beendigung der Proteste gefordert, die gestern am 52. Tag fortgesetzt werden sollten. Angesichts dieser Pläne wachse aber der Widerstand in der Regierungskoalition gegen Milošević, schrieb Dnevni Telegraf.

In Wien begrüßte die OSZE die Anerkennung des oppositionellen Wahlsiegs in Niš vom Mittwoch als einen Schritt in die richtige Richtung. Die OSZE verlange aber die Bestätigung des Sieges der Opposition in allen 14 Städten, sagte eine OSZE-Sprecherin.

Oppositionsführer Vuk Drašković sagte, er werde nur die vollständige Wiederherstellung der Wahlergebnisse vom 17. November akzeptieren, und fragte: „Wenn Milošević euch 10.000 Dollar stiehlt und nach 50 Tagen 6.000 zurückgibt, wärt ihr zufrieden?“

Die Belgrader Studenten planten ab dem Nachmittag eine Blockade der Polizeiketten und die Aufführung von sogenannten Bildungsprogrammen für die Beamten. „Wir werden aus bekannten Romanen vorlesen und über den Sinn der Belastung des Rückgrats mit 30 Kilo Ausrüstung, welche die Polizisten tragen, diskutieren“, sagte ein Studentenvertreter im Radio Index gestern.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen