: Radio im Graubereich
■ Eine schwierige Beziehung: der öffentlich-rechtliche Sender Radio Bremen und Sponsoren / Gibt es noch einen Unterschied zu den privaten Radiostationen? Ein Gespräch mit Hermann Vinke und Wolfgang Hagen
enn der Reporter gekauft ist...“ hat vor einigen Wochen ein Kollege der Frankfurter Rundschau einen Text über Radio Bremen getitelt. Thema: Das schwierige Verhältnis zwischen dem öffentlich-rechtlichen Sender und Sponsoren. Bei einigen Sendungen, so der Vorwurf, sei die Trennung zwischen redaktionellen Beiträgen und Werbung nicht mehr zu erkennen. In einem Fall sei ein Reporter sogar vom Sponsor direkt bezahlt worden. Ob die Praxis bei Radio Bremen, insbesondere bei Radio Bremen 4, überhaupt mit den ARD-Sponsor-Richtlinien zu vereinbaren ist, sei fraglich. Wir waren zur Nachfrage bei Radio-Bremen-Hörfunkdirektor Hermann Vinke und Bremen-4-Wellenchef Wolfgang Hagen.
taz: Wie ist es denn nun, kann man bei Radio Bremen Reporter kaufen?
Wolfgang Hagen, Wellenchef Radio Bremen 4: Was ist denn das für 'ne suggestive Eingangsfrage?
Liegt doch aber nah.
Hagen: Steht zwar in der Überschrift, aber der Kollege von der Frankfurter Rundschau hat wenigstens an einer Stelle die journalistische Ehre gerettet.
Na, er schreibt, bei Radio Bremen bestehe eine „kaum zu durchschauende Mischung aus redaktionellem Programm und Werbeabsichten“.
Hagen: Er schreibt aber am Ende: „Man kann darüber streiten, ob die Bremer Praktiken rechtswidrig sind.“ Man kann immer streiten – und bei uns ist gar nichts rechtswidrig.
Dem Kollegen scheinen die Sponsorenrichtlinien der ARD nicht zu gefallen. Man kann der Meinung sein, daß das alles vom Grundsatz her großer Blödsinn ist. Wenn man die Position hat, muß man sich an die wenden, die die Richtlinien ausgehandelt haben.
Hermann Vinke, Hörfunkdirektor Radio Bremen: Ich kann dazu nur ganz generell sagen, daß jeder einzelne Fall von Aktivitäten außerhalb und innerhalb des Programms juristisch vorgeprüft worden ist. Und das zweite: Auch wenn alles juristisch ok. ist, dann muß es nicht für jedes Programm gut sein. Unsere Aufgabe besteht darin, immer wieder nachzuprüfen, ob wir zu viel machen, ob sich ein Graubereich entwickelt.
Nochmal: Der Hörer kriegt schon ein klammes Gefühl – wenn es denn stimmt, daß ein Sponsor einen Reporter bezahlt.
Hagen: Warum macht die taz Anzeigen?
Moment, wir werden ja nicht dafür bezahlt, Anzeigentexte zu schreiben, sondern Artikel.
Hagen: Ihr werdet dafür bezahlt, daß die Anzeige bei euch erscheint. Genauso werden wir dafür bezahlt, daß der Sponsor erscheint. Die Frage ist doch: Wenn ich Sponsoreinnahmen erziele, dann bezahle ich immer jemanden damit. Daran ist überhaupt nichts Illegitimes. Die Frage ist doch, wo wir die Trennung zwischen Redaktion und Sponsor ziehen.
Genau darauf zielt doch die Frage: Das Mißtrauen eines Hörers ist natürlich groß, wenn er mitbekommt, daß ein Sponsor einen Reporter direkt bezahlt. Da geht es ja nicht um allgemeine Einnahmen, mit denen der Sender dies oder das bezahlen kann.
Vinke: Nehmen wir mal an, ein Kollege von Ihnen moderiert eine Veranstaltung von Greenpeace, und er kriegt eine Gage. In der taz erscheint ein Beitrag über die Veranstaltung, und zwar von besagtem Kollegen selber – nach unseren Richtlinien mag dies möglich sein. Nur: Da fängt für mich der Graubereich an. Das müssen wir sehr genau prüfen.
Es geht doch aber um die direkte Bezahlung eines Moderators durch einen Sponsor.
Hagen: Nein, nein! Niemals!
So stands in der Zeitung. Deshalb frag ich Sie ja.
Hagen: Stimmt aber nicht. Moderatoren von Sendungen sind niemals von Sponsoren bezahlt worden. Eine andere Situation ist die: Es gibt Aktionen, die wir gemeinsam mit Sponsoren durchführen. Die haben Anteile, die wir redaktionell verantworten und solche, die nichts mit uns zu tun haben. Das ist für uns völlig getrennt.
Nun kommt es vor, daß einer für so eine Sendung einen Beitrag macht und dafür eine Rechnung an den Sponsor stellt. Aber wir kontrollieren jeden Satz. Das ist ein ganz normaler Vorgang und eine saubere Trennung.
Es gibt viele Agenturen, die uns fertige Beiträge umsonst anbieten, zum Beispiel bei Kino-Besprechungen. Man kann sagen, das ist von der Filmindustrie gesteuert. Aber letztlich können wir immer entscheiden, ob wir den Beitrag für sendefähig halten. Allerdings: Die Beiträge, die so ins Programm kommen, machen nicht mal ein Prozent aus.
Wie kriegt der Hörer diese Trennung mit?
Hagen: Das ergibt sich aus den Richtlinien. Beim Sendungssponsoring gibt es vor und nach dem Sendungselement eine Nennung. Bei einer Gewinnauslobung sind wir verpflichtet, den Sponsor zu nennen.
Vinke: Darin liegt die Transparenz. Das klingt vielleicht unsinnig, weil man sagt, daß mit der Nennung der Werbeeffekt erreicht wird. Aber so weiß der Hörer wenigstens, wo ein Sponsor eingeschaltet ist. So machen wir's nicht nur bei Bremen 4, sondern auch im Journal am Morgen auf Bremen 2.
Hagen: Wir sind zur Nennung und zur Ausgewogen-heit verpflichtet. Das heißt, wir dürfen nicht immer nur das Produkt ein und derselben Firma verticken.
Vinke: Natürlich gibt es Sponsoren, die für Monate Verlosungen machen wollen. Das kommt aber überhaupt nicht in Frage. Wenn wir das Gefühl haben, es wird zu viel, dann fliegt es eben raus.
Das heißt, wenn Sie wirtschaftlich denken, müssen Sie sich direkt einen Anschluß-Sponsor suchen.
Hagen: Völlig klar, das ist zum Teil auch Klinkenput-zen. Teils aber auch Türeinren-nen.
Vinke: Es gibt da einen Push, dem wir was entgegenstemmen müssen. Wir wollen uns schon für Sponsoren öffnen, aber wir machen nicht das Scheunentor auf.
Hagen: Natürlich gibt es Graubereiche, über die wir hier im Hause immer wieder diskutieren und zum Teil unterschiedlicher Auffassung sind. Klar machen wir da auch Fehler. Keine im rechtlichen Sinne. Aber manchmal ist mir das schlicht zu viel. In Bremen 4 passieren viele Sachen, wo wir uns hinterher fragen: Mußte das so sein.
Wenn es nach mir ginge, würde ich sagen: Wir machen alles selbst. Aber wenn ich alles ersetzen wollte, was wir inzwischen mit Sponsoren machen, dann bräuchte ich einen unglaublich hohen Etat. Und den haben wir nicht.
Wie oft sagen Sie denn nein?
Hagen: Relativ oft.
Das heißt, die Begehrlichkeit von außen ist groß.
Vinke: In Beziehung auf Bremen 4 sicher, auch in bezug auf die Hansawelle.
Hagen: Ich versuche immer zu erreichen, daß dabei was Innovatives fürs Programm rauskommt. Ich würde zum Beispiel gerne gemeinsam mit Karstadt einen Internet-Pavillon in der Innenstadt eröffnen. Karstadt hätte den Werbeeffekt, wir hätten das Thema permanent im Programm. Radio Bremen könnte das alleine nie machen.
Wo liegen für Sie eigentlich noch die Differenzen zwischen den Privaten und den Öffentlich-Rechtlichen?
Hagen: Na, beim Ereignissponsoring erklärt ein Sender eine Geschichte, die ein Sponsor macht, zu seiner eigenen. Sowas machen wir nicht. Aber das hat bei den Privaten auch nachgelassen. Wir könnten auch das Wetter verkaufen. Das ginge nach den Richtlinien, aber das machen wir nicht, weil wir das oberpeinlich finden.
Vinke: Bei uns ist vieles gar nicht denkbar, was bei Privatstationen läuft. Der Unterschied liegt aber ganz woanders. Der liegt im Informationsteil, beim Journalistischen, und darin, daß wir kontrolliert werden.
Auf der einen Seite wurde vor fünf Jahren gesagt: Bewegt euch mal, öffnet euch. Da waren die Mauern um das Funkhaus noch ziemlich hoch. Jetzt haben wir uns geöffnet. Und das bedeutet ja auch eine Verankerung in der Region. In dem Kontext will ich das auch sehen und nicht mit dem Gestus der siebziger Jahre.
Hagen: Ein weiterer Unterschied ist, daß die Privaten extrem kurzfristig von Quoten abhängig sind. Das sind wir nicht. Daß Bremen 4 ein Erfolg geworden ist, das hängt mit unserem langen Atem zusammen. In der Zeit hat das Personal bei den Privaten zweimal komplett gewechselt.
Wir stehen in einer ganz anderen sozialen Bindung und unter einer ganz anderen Kontrolle. Bei uns entscheiden eben nicht fünf Verleger, daß in einem Jahr linksrum und im anderen rechtsrum Programm gemacht wird.
Was würde passieren, wenn das Sponsoring nicht mehr liefe?
Vinke: Darauf könnten wir verzichten. So hoch ist der Betrag auch nicht. Uns kommt es auch auf den Versuch an, uns in der Region und die Region zu präsentieren. Mehr ist es nicht. Dahinter steckt kein konspirativer Vorgang.
Knifflig wird's, wenn man einem Sponsor journalistisch auf die Zehen steigen will.
Vinke: Glauben Sie, auch nur ein Reporter von uns würde die Story nicht machen?
Hagen: Ich sage, die Leute, die mit Sponsorenaktionen zu tun hatten, sind schlauer als zuvor. Sie haben mal hinter die Kulissen geguckt, und daraus können Geschichten entstehen. Ist allerdings noch nicht vorgekommen, weil der investigative Journalismus nicht mehr so hart betrieben wird, wie ich das eigentlich gerne möchte.
Vinke: Da müßte mir jemand kommen und mich fragen, ob er das machen kann. Den würde ich achtkantig rausschmeißen. Der hätte seinen Job verfehlt. Also, wo liegt das Problem? Fragen: Jochen Grabler
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