: Bagatellstraftäter sollen Bleiberecht bekommen
■ Berlin schwenkt auf Bundeslinie bei Regelung für Vietnamesen ein. Doch für Betroffene wird es eng: Wer bis 31. März keinen Job hat, kriegt kein Bleiberecht
Die ersten vietnamesischen Bagatellstraftäter haben am Freitag das im November zugesagte grüne Licht für ein Bleiberecht erhalten. Jetzt müssen sie „nur“ noch bis Ende März einen Job finden, um in Deutschland bleiben zu können. Nach zweimonatiger Verzögerung durch die Ausländerbehörde zeichnet sich damit eine Teillösung ab. Heute befaßt sich der Innenausschuß des Parlaments mit dieser Frage.
Deutlich mehr als die Hälfte der Antragsteller auf die Amnestie müssen allerdings noch immer warten. Der Grund: Im Unterschied zu den anderen Bundesländern lebten die straffällig gewordenen ehemaligen vietnamesischen Vertragsarbeiter in Berlin seit 1993 völlig rechtlos. Nach Vietnam konnten sie auch nicht zurück, weil das Land sie bislang nicht aufnahm. Die Folge war eine neue Verurteilung wegen illegalen Aufenthalts in Deutschland. „Dieses Delikt soll nicht unter die Amnestie fallen, hat mir die Ausländerbehörde erklärt“, so die Rechtsanwältin Petra Schlagenhauf.
In den anderen neuen Bundesländern – Sachsen ausgenommen – erhielten die Betroffenen seit 1993 eine Duldung, so daß sie sich nicht illegal in Deutschland aufhielten. Für den Rostocker Ausländerbeauftragten Wolfgang Richter ist daher „die Kriminalisierung der Bagatellstraftäter ein hausgemachtes Berliner Problem“. Der SPD-Abgeordnete Eckhardt Barthel ist jedoch davon überzeugt, daß in wenigen Tagen alle Vietnamesen ihr Bleiberecht erhalten. Das habe ihm die Innenverwaltung zugesagt.
Tatsächlich ist die Rechtslage nicht eindeutig. Die Bleiberechtsregelung von 1993 schließt auf der einen Seite Leute aus, die illegal in Deutschland leben. Andererseits wurde die Amnestie gerade für diese Personengruppe erlassen, ohne jedoch das Delikt des illegalen Aufenthalts explizit aufzuheben. Deshalb will die PDS-Abgeordnete Marion Seelig heute im Innenausschuß mit einem Antrag nachhaken, der das eindeutig regelt. „Herr Barthel und mit ihm alle Ausländerausschuß-Mitglieder waren ja schon vor zwei Monaten davon überzeugt, das Problem wäre gelöst. In meinen Augen ist die Verzögerung bei der Ausländerbehörde kein Zufall“, meint Seelig. Immerhin hat Innenstaatssekretär Kuno Böse (CDU) die Amnestie nicht freiwillig, sondern auf Druck des Koalitionspartners erlassen. Noch im September hatte Böse öffentlich erklärt, von dieser Amnestie ginge „ein falsches Signal an die Zigarettenmafia aus“.
Jetzt wird der Beschluß nach seinen Buchstaben und nicht nach seinem Geist durchgesetzt. Denn je länger sich die Ausländerbehörde für die Entscheidungen Zeit läßt, desto weniger Zeit bleibt den VietnamesInnen für ihre Jobsuche. Haben sie bis zum Stichtag 31. März keinen Job, gibt es kein Bleiberecht. Der ausländerpolitische Sprecher der CDU, Roland Gewalt, erklärte gegenüber der taz, seine Fraktion war zwar „nicht von der Sache her für eine Amnestie der Bagatellstraftäter, aber im Interesse einer bundeseinheitlichen Regelung haben wir zugestimmt“. Marina Mai
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen