piwik no script img

Arbeitsgesetz als Talkshow-Thema im Fernsehen

■ Südkoreas Regierung bietet Arbeitern Debatte an. Die lehnen das Angebot ab

Seoul (AP/AFP) – Angesichts der wachsenden in- und ausländischen Kritik am umstrittenen neuen Arbeitsgesetz hat die südkoreanische Regierung am Wochenende erstmals Kompromißbereitschaft erkennen lassen. Der Vorsitzende der regierenden Partei Neues Korea, Lee Hong Ku, bot den Führern des verbotenen Gewerkschaftsbundes KCTU gestern eine Fernsehdiskussion über das Gesetz an. Dies wurde von den streikenden Arbeitern abgelehnt. Gespräche kämen erst dann in Frage, wenn die Regierung das Gesetz zurückgenommen habe, sagte KCTU-Chef Kwon Young Gil.

Die Arbeiter nannten das Gesprächsangebot Lees einen Köder, mit dem die Regierung die Gewerkschaften täuschen wolle. Sie kündigten für die kommenden Tage eine Ausweitung des Arbeitskampfes an. Dieser werde so lange fortgesetzt, bis das Gesetz, das auch Entlassungen erleichtert, von Präsident Kim Young Sam zurückgenommen werde.

Auch gestern kam es in Seoul und anderen südkoreanischen Städten zu neuen Protesten und Demonstrationen. Die Sicherheitskräfte versuchten mit unverminderter Härte, die Haftbefehle gegen sieben Streikführer zu vollstrecken, die sich auf dem Gelände der Myondong-Kathedrale in Seoul verschanzt hielten. Die Polizei setzte Tränengas ein, um rund 500 Demonstranten daran zu hindern, die Kathedrale zu verlassen. Die mit Eisenstangen und Steinen bewaffneten Demonstranten lieferten sich daraufhin Straßenschlachten mit der Polizei. Es gelang den Sicherheitskräften erneut nicht, die Haftbefehle zu vollstrecken. Ein Seouler Gericht hatte sie am Freitag erlassen, weil die Streikführer gerichtliche Vorladungen ignoriert hatten.

Vor der Kathedrale demonstrierten rund 2.000 Menschen für die Rücknahme des Gesetzes. Der katholische Erzbischof der Hauptstadt, Kardinal Stephen Kim Soo Hwan, kritisierte, daß die Regierung das Gesetz ohne Debatte in einer Nacht-und-Nebel-Aktion durchs Parlament gepeitscht habe. Das Gesetz war am frühen Morgen des 26. Dezember in Abwesenheit der Oppositionsabgeordneten verabschiedet worden.

In Ulsan im Süden des Landes demonstrierten 15.000 Beschäftigte des Konzerns Hyundai. Proteste wurden auch aus Pusan, der Heimatstadt des Präsidenten, gemeldet. Am Samstag war es zu den bisher heftigsten Straßenschlachten zwischen streikenden Arbeitern und der Polizei gekommen. Mit Tränengassalven versuchten rund 5.000 Polizisten, eine Menge von 20.000 Streikenden aufzulösen, die nach einer Kundgebung durch die Innenstadt ziehen wollten. Nach Augenzeugenberichten wurden mehrere Menschen verletzt.

Die Streikenden erhalten unterdessen wachsende internationale Unterstützung. Die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und andere internationale Organisationen riefen die Regierung Südkoreas auf, die Gewerkschaftsbewegung zu respektieren und den Konflikt friedlich beizulegen. In Seoul trafen zwei Repräsentanten des Internationalen Bundes Freier Gewerkschaften ein, um Solidarität mit den Streikenden zu bekunden. Amnesty International übte ebenfalls Kritik am neuen Arbeitsgesetz, das unter anderem eine Verlängerung der Arbeitszeit vorsieht. Amnesty forderte, daß Streikführer nicht inhaftiert werden dürften.Kommentar Seite 10

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen