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"Milosevic hat Räder und bewegt sich"

■ Die serbische Regierung will angeblich den Wahlerfolg der Opposition anerkennen. Doch diese ist skeptisch. Die USA wollen Belgrad mit einem Aktionsplan weiter unter Druck setzen

Belgrad (dpa/AP/rtr/wps) – Die serbische Opposition hat Zweifel an einer angeblichen Bereitschaft von Präsident Slobodan Milošević geäußert, alle Siege des Oppositionsbündnisses Zajedno (Gemeinsam) bei den Kommunalwahlen im November 1996 anzuerkennen. „Das ist nur ein Trick, Milošević wird die Wahlergebnisse nicht anerkennen“, sagte Zoran Djindjić, eines der drei Führungsmitglieder der Zajedno dem Sender Radio Index. Zajedno werde die täglichen landesweiten Proteste bis zur vollständigen Anerkennung aller Wahlergebnisse fortsetzten.

Am Samstag hatten die Vizeministerpräsidenten Ratko Marković und Nedlejko Sipovać gegenüber einer Delegation von Studentenführern gesagt, daß der „Volkswille“ bei den Kommunalwahlen respektiert werden würde, ohne sich jedoch explizit für eine Anerkennung der Wahlsiege der Opposition in 14 von 18 großen Städten, darunter auch Belgrad, auszusprechen. Zuvor hatte es gehießen, die Führungen der Sozialistischen Partei und der Vereinigten Linken unter Führung von Miloševićs Ehefrau Mirjana Marković hätten am Freitag beschlossen, die Wahlsiege von Zajedno hinzunehmen und ihr eine Koalition auf Landesebene vorzuschlagen.

Die schriftliche Erklärung der beiden Vizeministerpräsidenten trug auch die Unterschriften einer Abordnung der Belgrader Studenten, die mit Zajedno gemeinsam demonstrieren. Der Studentenführer Cedomir Jovanović sagte nach der Unterredung, Marković und Sipovać seien auch auf die Forderungen nach Pressefreiheit und Entlassung des sozialistischen Rektors der Belgrader Universität eingegangen. Die einseitige Berichterstattung des staatlichen Fernsehsenders RTS habe Marković als letztlich schädlich für Staat und Partei bezeichnet, sagte Jovanović. Aus der Umgebung von Milošević verlautete unterdessen, Ministerpräsident Mirko Marjanović sei zurückgetreten.

Im staatlichen Fernsehen wurde am Samstag nur kurz über das Treffen der Vizeministerpräsidenten und der Studentendelegation berichtet, was den Eindruck erweckte, bislang gebe es keine endgültige Vereinbarung. So stießen auch Berichte über die Kompromißbereitschaft des Regimes bei der Demonstration am Samstag abend in Belgrad auf Unglauben. „Wir haben die Nachricht erhalten, daß sich Milošević in eine Straßenbahn verwandelt hat: Er hat Räder, und er bewegt sich“, sagte Oppositionsführer Vuk Drašković. Er fügte hinzu, er werde Berichte, die auf Hörensagen beruhten, nicht kommentieren und forderte eine klare Stellungnahme zu den Wahlergebnissen. Oppositionsführerin Vesna Pesić sagte in ihrem Redebeitrag, die Demonstranten hätten nicht die Absicht, nun „Danke, Herr Diktator“ zu sagen.

Der innere und äußere Druck, unter dem Milošević wegen der Wahlfälschungen steht, hat sich am Wochenende auf US-amerikanisches Betreiben hin nochmals verstärkt. In Brüssel stellten die USA einen Aktionsplan vor, mit dem sie die Anerkennung der Oppositionserfolge bei den Kommunalwahlen erzwingen wollen. Der Unterstaatssekretär im US-Außenministerium, John Kornblum, erläuterte den Aktionsplan am Samstag vor Diplomaten Rußlands, Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens und der Niederlande. Der Plan sieht unter anderem vor, der jugoslawischen Regierung Landerechte für Flugzeuge in den USA zu verweigern und Jugoslawien Schwierigkeiten beim Außenhandel zu bereiten sowie die Anbahnung von Kontakten zwischen dem Balkanland und internationalen Finanzorganisationen zu verhindern.

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