: Vor Siemens wird wieder gemalt
■ Umweltaktivist Gerold Janssen will teure Straßenreinigung nicht zahlen / „Wir reinigen billiger“
„Es geht weiter“. Erfreut kommentierte der Umweltaktivist Gerold Janssen gestern den Ausgang einer kurzweiligen Verhandlung vor dem Bremer Amtsgericht. Dort stand Janssen wieder einmal als Angeklagter – und neben ihm ein alter Farbeimer. Als corpus delicti quasi. Denn die Folgen von Straßenmalerei, von Marienkäfern, Fledermäusen und Schmetterlingen, die Janssen 1993 gemeinsam mit über 20 UmweltaktivistInnen auf den Gehweg vor das Siemens-Hochhaus bannte, sollten gestern verhandelt werden. Für deren Beseitigung per teurem Hochdruckverfahren fordert die Stadt mittlerweile rund 6.000 Mark Schadensersatz von Janssen. Ein Bußgeld über 400 Mark wegen seiner Pflastermalerei hat Janssen bereits bezahlt, nachdem er die Summe öffentlichkeitswirksam vor dem Rathaus zusammengebettelt hatte. Doch die städtische Reinemachaktion will er nicht bezahlen: „Viel zu hoch“ findet der 71jährige die städtische Rechnung. Hinter all dem stecke politische Willkür. „Ich bin der Quertreiber, der zur Strecke gebracht werden soll.“
Aus Janssens Sicht geht es nur vordergründig um Schadensersatz für ein paar Quadratmeter voll bunter Farbe. Dahinter stecke der Versuch, seine Kritik an der Bebauung des Öko-Geländes Uni-Ost durch Siemens mundtot zu machen. „Dieser Prozeß soll Protest teuer machen“, argwöhnt der Umweltschützer. „dabei haben wir doch nur ein wenig von der Natur, die auf dem Uni-Ost-Gelände zerstört wird, symbolisch vor das Siemens-Hochhaus geholt.“ Nicht einmal die Polizei habe protestiert. „Die Beamten haben unsere Malaktion eher wohlwollend belächelt“, trug er gestern der „Frau Richterin“ vor. Doch die blieb ungerührt.
„Hier geht es nicht darum, ob die politisch heiligen Ziele des Angeklagten ihn von den Kosten der Folgen befreien“, stellte sie eindeutig klar. Auch sei egal, welcher künstlerische Wert damals auf dem Straßenpflaster an der Contrescarpe geschaffen worden sei. Vielmehr stehe fest, daß die Stadt sich gegen unerwünschte Kunstwerke wehren könne. Fraglich sei aus Richterinnensicht allenfalls die Höhe der Kosten für die Gehwegreinigung. „Die schrecken Laien zugegebenermaßen auf.“ Im übrigen solle Janssen sich doch freuen, daß die Polizei von einem agressiveren Einschreiten mit Wasserwerfern wegen „Unverhältnismäßigkeit“ abgesehen habe.
Auch die Vertreter der Stadt beharrten während der 30-minütigen Gerichtsverhandlung auf ihrem Standpunkt. „Die Stadt kann nicht hinnehmen, daß einzelne Bürger solche Kosten für die Gemeinschaft produzieren.“ Dennoch hätten die Stadtvertreter sich am Ende der Verhandlung auf den Vergleichsvorschlag der Richterin eingelassen: „halbe, halbe bei den Reinigungskosten“. Dann wäre ein weiterer Prozeßtermin weggefallen – und damit vielleicht das Medieninteresse an diesem Fall.
Doch dazu kam es nicht: Überhöht sei die Forderung, schimpfte Gerold Janssen. „Wir hätten das damals doch weggemacht, wenn man uns gefragt hätte.“ Billiger noch dazu. Daß das möglich ist, will der Senior-Kämpfer jetzt persönlich beweisen. „Wir werden das gleiche Bild wieder aufmalen, wieder eine Woche trocknen lassen und es dann mit einem billigen Mietgerät wegpusten. Für viel weniger Geld, als die jetzt von uns haben wollen.“ Damit wähnt sich Gerold Janssen auf der richtigen Seite: Schließlich hatte die Richterin dies als eine Möglichkeit zum Kostennachweis angeführt. „Eine gute Idee“, lobt Janssen. „Damit sparen wir uns den teuren Sachverständigen.“ ede
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