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Gesucht: Mutige Lehrerkollegien

■ betr.: dito

Der Beitrag von Sybille Volkholz auf der Meinungseite der taz entspricht in seinem Tenor der bildungspolitischen Erklärung zur bündnisgrünen Bildungspolitik für die Berliner Schule, die von Bildungsbereich und Landesdelegiertenkonferenz von Bündnis 90/Die Grünen 1996 beschlossen wurde.

Einige Lehrer scheinen sich durch diesen Artikel in ihrem Innersten zutiefst verunsichert zu fühlen. Wie anders sonst wäre die emotionsbeladene Wortwahl in den Leserbriefen zu erklären? [...]

Es gehört in der Tat Mut dazu, die Realität der Landeshaushalte und ihre Auswirkungen auf die Bildungsfinanzierung klar zu benennen und trotz der katastrophalen Finanzsituation laut die „Schule neu zu denken“, wie es Sybille Volkholz tut. Ebenso gehören in den Lehrerkollegien Mut, Tatkraft und Bereitschaft zu Verständigung und zur Neudefinition von Aufgaben dazu, um Reform für eine „gute Schule“ – eben einen Lern- und Lebensort – unter Würdigung der konkreten Schulsituation vor Ort umzusetzen! „Schulreform von unten“, das erfordert ganz sicher Arbeit. Aber, statt Belastung durch verpuffende Energien und Burn-out-Ängste ermöglicht dies mit Sicherheit größere Arbeitszufriedenheit durch Binnensteuerungsmöglichkeit und damit letztlich Entlastung.

Niemand bestreitet, daß sich die Bedingungen des Aufwachsens und Lernens für Kinder verändert haben. Nur, die Schlußfolgerungen sind unterschiedlich. Ich meine, es sollte zu unserem Selbstverständnis als Pädagogen gehören, darauf offensiv durch innere Schulreform zu reagieren. Glücklicherweise gibt es engagierte KollegInnen und eine Reihe vorzeigbarer Reformprojekte. Zahlreicher scheinen jedoch momentan leider solche KollegInnen zu sein, die sich angesichts finanzieller Engpässe öffentlicher Haushalte frustriert zurückziehen. Mißtrauen, Abwehrhaltung, passives Erdulden von sich verschlechternden Rahmenbedingungen und Frust helfen jedoch keinesfalls weiter.

Natürlich darf Bildung nicht kaputtgespart werden! Bündnis 90/ Die Grünen hatten im übrigen den Nachtragshaushalt 96 wegen seiner sozialen Unausgewogenheit und verfehlten Prioritätensetzung abgelehnt. Gerade mit Blick auf die Schuldenberge muß die jetzige Schülergeneration besonders gut qualifiziert werden, um dieser „Hinterlassenschaft“ wirksam entgegentreten zu können. Das schließt nicht aus, daß die Kosten aller Politikfelder auf den Prüfstand gehören – auch Bildungskosten. Qualität von Schule wächst eben nicht automatisch mit zunehmenden Ressourcen. Es ist zu überlegen, ob nicht gerade Zeiten zwingender Haushaltskonsolidierung günstig sind, um „Schulreform von unten“ durchzusetzen. Sind nicht in den beiden letzten Jahrzehnten zu viele Initiativen zur Veränderung von Schule im Regelungsgestrüpp von Schulbürokratie steckengeblieben? Wenn Politik und Verwaltung aber das Handtuch werfen und sogar eher traditionelle Kräfte sich für Autonomie von Schule zu erwärmen beginnen, dann werden pädagogisch überzeugende Reformen kaum noch verweigert werden können.

Aus der Erfahrung heraus bestätigen kann ich die Aussage von Sybille Volkholz, daß Zeitbudgets für die Lehrkräfte zur Realisierung von Schulreform eine ernstzunehmende Voraussetzung sind. Zwar schränkt ein an den Arbeitszeiten des öffentlichen Dienstes orientiertes Arbeitszeitmodell individuelle Zeitdisponibilität ein, das geschieht allerdings zugunsten kollegialer Schwerpunktsetzung und Arbeitseinteilung am gemeinsamen Arbeitsplatz Schule. Mit einem solchen Verständnis gemeinsam verabredeter und verantworteter Arbeitszeit arbeitet zum Beispiel die Stadt-als-Schule Berlin seit fünf Jahren – völlig unabhängig von Diskussionen um Haushaltskonsolidierung und völlig unabhängig von grünen Positionen. Eine vom 45-Minuten-Unterrichtszeittakt abweichende Berechnung für bestimmte Arbeitsbereiche hatte sich vielmehr aus der Sache heraus ergeben. Sie hat sich mittlerweile bewährt. Warum also nicht in anderen Schulen Arbeitszeitmodelle freiwillig ausprobieren? Dorit Grieser, Sprecherin des

Bildungsbereichs der Partei

B'90/Grüne, Berlin

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