: Frösche sind gar nicht blond
■ Premiere im Packhaus-Theater: Blutarme Blondinen-Parodien vom Leipziger „Krystallpalast-Varieté“
Ist Kermit blond? Eigentlich nicht. Aber der bekannteste sprechende Frosch der Welt. Da müßte er sich doch prima machen in einer Show, die sich die Rehabilitierung von Blondinen auf die arg verblichenen Fahnen geschrieben hat. „Blondinen bevorzugt“ heißt das Programm des Leipziger „Krystallpalast Varieté“, das am Dienstag abend im mager besuchten Packhaus-Theater Premiere hatte.
Varieté aus Leipzig, einer Kabarett-Hochburg schon zu Ost-Zeiten: Da sind die Erwartungen hoch. Akrobatik, gar Zungen-Akrobatik, beißende Polit-Satire mit sächsischem Lokalkolorit oder wenigstens wüste Wessi-Beschimpfung hätte man sich aus Leipzig schon gewünscht. Nichts dergleichen ließ uns Schenkel klopfen, das Zwerchfell beben, das Lachen im Halse steckenbleiben oder löste wenigstens wohlfeile Betroffenheit aus. Nein, die unentwegt die blonde Mähne schüttelnde Katrin Troendle im Marylin Monroe-Standard-Outfit und der blond gefärbte Bert Callenbach in Kroko-Anzug und Cowboy-Stiefeln (am Klavier: Jens Baermann) grasten auf den Fleckchen der kabarettistischen Spielwiese, die schon lange versteppt sind. Und dort, wo sie noch ein Hälmchen fanden, zum Beispiel in Form einer Roland Kaiser-Parodie, käuten sie es brav wieder.
Keiner hat ja etwas dagegen, wenn die Troendle noch mal Monroe-, Dietrich- und Piaf-Klassiker nachsingt – den Text auf blond gebürstet; besser: zwangsdauergewellt. Keinem tut es weh, noch mal Howard Carpendales „Ti amo“ in der um 30 Prozent schnulzigeren Version Bert Callenbachs zu hören. Oder den „blonden Hans“ ein weiteres Mal ins Ungefähre schauen zu sehen. Worauf sich Callenbach dann als Kermit-Puppenspieler verdingt und die Muppets-Show auf der Bühne wiederbelebt. Den Frosch finden natürlich alle niedlich und nett, und deshalb schneiden sich auch die Leipziger noch ein Scheibchen Publikumsgunst aus Kermits ruhmreichen Rippen.
Bloß: Müssen diese gut gemeinten Aktivitäten gleich zu einem abendfüllenden Programm verbacken werden, das „Blondinen wieder Mut machen“ will? Leider fehlten in dieser Backmischung die Zutaten, die den Kuchen zusammenhalten.
Wenn schon das Thema Blondinen heißt: Ein Feuerwerk häßlicher Blondinenwitze hätte man zünden können; oder eine Hommage an die klassischen Blondschöpfe aus Film, Fernsehen und Chanson, in den Köpfen längst zu Privatmythen kondensiert, anstimmen.
Doch die Halbherzigkeit und Harmlosigkeit, mit der die Leipziger zwischen beschämend abgestandenen Blondinen-Parodien („Vor dem Küssen auf dem Sofa Rotweinglas abstellen – Rotwein gibt schwierige Flecken“), peinlichen Femme Fatale-Allüren und am Thema – „blonde Seele“ – vorbeischrammendem Puppenspiel agieren, produziert vor allem eines: Langeweile. Und ein sich im Laufe des Abends einschleichendes Unbehagen, gespeist aus der penetranten Kombination aus anvisierter Marktgängigkeit und künstlerischem Dilettieren.
Wird hier eigentlich was für oder gegen Blondinen gesagt und gesungen, besonders schön oder besonders garstig? Wird hier Dada-Artiges oder -Unartiges zur verwehten Blondinenwitz-Ära serviert? Katrin Troendles reflexionsarmem Agieren ist anzumerken, daß sie das alles gar nicht sehr interessiert. Katrin Troendle interessiert sich dagegen für Katrin Troendle. Und mit der Selbstverliebtheit, mit der sie sich in Vamp-Posen sonnt und ungebeten noch eine Zugabe ans Programm hängt, kommt der Verdacht auf: Wir haben es mit einer Frau zu tun, die selbst ein bißchen das Zeug zu haben glaubt, mal eine große Chansonnière zu werden.
Aber das ist natürlich nur ein Verdacht. Sicher ist: Bert Callenbach und Katrin Troendle sind zwei nette Menschen aus der Heldenstadt Leipzig, die in einem kleinen Theater mit Mikrofon singen und mal was bringen wollten über Blondinen. In Leipzig soll das sämtliche Zuschauerrekorde gebrochen haben. In Bremen gab's dünnen, aber ehrlichen Applaus.
Alexander Musik
Im Packhaustheater im Schnoor. Bis 26.1. tägl. (außer Mo.), 20 Uhr.
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